Babel und Bibel
Todeskarawane:
Schrei nicht, o Scheik! Ich sage dir, schrei nicht!
Denn wer da schreit, ist dieser Qual nicht wert,
Wird weggeworfen in den Brack und Plunder
Und muß dann wieder eingeschmolzen werden.
Du aber willst zum Stahl, zur Klinge werden, Die in der Faust des Parakleten funkelt,
Sei also still! – – – – – – – – – –
– – – – Man reißt dich aus dem Feuer – – –
Man wirft dich auf den Ambos – – – hält dich fest.
Es knallt und prasselt dir aus jeder Pore.
Der Schmerz beginnt sein Werk, der Schmied, der Meister.
Er spuckt sich in die Fäuste, greift dann zu,
Hebt beiderhändig hoch den Riesenhammer
Und nun – – –
Scheik
(schreit auf):
Allāh – – – Allāh!
Schēfakā
(ist der Schilderung mit grauenvoller Spannung gefolgt, warnt den Scheik):
Sei still, sei still!
Willst du ins alte Eisen?
Scheik:
Nein!
Schēfakā:
So schweig!
Scheik der Todeskarawane:
Die Schläge fallen. Jeder ist ein Mord,
Ein Mord an dir. Du meinst, zermalmt zu werden.
Die Fetzen fliegen heiß nach allen Seiten.
Dein Ich wird dünner, kleiner, immer kleiner,
Und dennoch mußt du wieder in das Feuer – – –
Und wieder – – – immer wieder, bis der Schmied Den Geist erkennt, der aus der Höllenqual
Und aus dem Dunst von Ruß und Hammerschlag
Ihm ruhig, dankbar froh entgegenlächelt.
Den schraubt er in den Stock und greift zur Feile.
Die kreischt und knirscht und frißt von dir hinweg
Was noch – – –
Babel
(einfallend):
Halt ein!
Scheik
(aufspringend):
Halt ein!
Schēfakā
(bittend):
Es ist genug!
Scheik der Todeskarawane:
Es geht noch weiter, denn der Bohrer kommt,
Der schraubt sich tief – – –
Scheik:
Sei still! Um Gottes willen!
Scheik der Todeskarawane
(geht auf den Scheik zu, bleibt hart vor ihm stehen und fragt):
Du bist in Mǟrdistān gewesen?
Scheik
(weicht vor ihm zurück):
Nein!
Scheik der Todeskarawane
(folgt ihm auf dem Fuße und nimmt ihn scharf in das Auge):
Im Walde von Kulūb?
Scheik
(tritt weiter zurück):
Noch nie, noch nie!
Scheik der Todeskarawane
(folgt ihm wieder):
Nicht in der Geisterschmiede?
Scheik
(weicht noch weiter):
Niemals! Nein!
Scheik der Todeskarawane
(folgt ihm):
Und nennst dich Geist? Und schämst dich, mich zu grüßen?
(hält ihm die Hand hin)
Salām?
Scheik
(weicht immer weiter zurück und wird immer verlegener):
Nur Männer pflegen sich zu grüßen.
Wo hast du deine Waffen?
Scheik der Todeskarawane
(folgt ihm immer wieder, macht die ausgestreckte Hand bedeutungsvoll zur Faust und schüttelt sie):
Hier!
(öffnet die Hand wieder und hält sie ihm hin)
Salām?
Scheik
(retiriert noch immer, und der Scheik der Todeskarawane folgt ihm. Die Blicke beider sind wie ineinander gebohrt):
Schaff deine Augen weg! Ich mag sie nicht!
Scheik der Todeskarawane:
Zum letzten Mal: Salām?!
Scheik
(ist an eine Mauer getrieben worden, kann also nicht weiter zurückweichen, vermag auch nicht länger, dem auf ihn gerichteten, zwingenden Blick zu widerstehen. Er schlägt also ein und sagt):
Salām!
Scheik der Todeskarawane
(zwingt den Scheik zu einem nochmaligen Drucke der Hand):
Salām!
Scheik
(wohl oder übel einstimmend):
Salām!
Fünfzehnter Auftritt
Die Vorigen.
Es nähert sich eine arabische Musik, leer und scharf klingend, von nur wenigen Instrumenten. Es sind die marschähnlichen Töne des »Ūmehā«. Allerlei Volk kommt voran, links herein, an Tor und Zelt vorbei und rechts wieder hinaus. Sodann der Kādi.
Kādi:
Die Schattenspieler kommen!
(sucht sich einen Platz. Schēfakā gibt ihm Tschibūk und Feuer)
Scheik:
Platz für sie!
(knallt mit der Peitsche hinter dem Volke her, froh über diese Beendigung der letzten, unangenehmen Szene)
Sechzehnter Auftritt
Die Vorigen.
Die Musik ist fast schon da. Da erscheint der alte Hākawāti.
Hākawāti:
Ich melde dir, o Scheik, die Phantasie!
Scheik:
Sie kommt zur rechten Zeit!
Hākawāti:
Ich bringe sie!
(Hākawāti wieder ab)
Siebenzehnter Auftritt
Die Vorigen ohne Hākawāti.
Der Scheik der Todeskarawane steht neben Schēfakā, deren anfängliche Angst vor ihm schon im Verschwinden ist, weil er ihr Achtung abgenötigt hat. Die unerwarteten Eindrücke stürmen von allen Seiten auf ihn ein, und er muß seine ganze Selbstbeherrschung zusammennehmen, um wenigstens die äußere Ruhe zu bewahren. Bei dem Anblicke des alten Hākawāti greift er sich aber doch an den
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