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Babel und Bibel

Babel und Bibel

Titel: Babel und Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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steigen aus dem Innern des Turmes Harfentöne empor. Es ist, als ob die Harfen gegen den häßlichen Lärm des Duar gern aufkommen möchten, aber doch nicht könnten.
    Die Bibel steht im Hintergrunde links, vom Zuschauer aus gesehen, mit unverhülltem Gesicht. Sie hat den Schleier zurückgeworfen und schaut erwartungsvoll nach dem Lager hinüber. Die Phantasie lehnt in der Mitte der rechten Seite an einem Mauerüberreste. Sie lauscht mehr nach den Harfen als nach dem Getöse des Duar. Beides, das Getöse und der Harfenklang, wechselt dem Inhalte des Gespräches entsprechend ab. Bei hohem Inhalte
    klingen die Harfen; bei den andern Zeilen darf der Lärm zu hören sein. Das Eine wie das Andere aber hört auf, sobald Schēfakā erscheint.

     
    Bibel
(besorgt):
    Wie wird es sich entscheiden?!
    Phantasie:
    Menschentümlich.
    Bibel
(schnell):
    Du meinst, nicht gut?
    Phantasie:
    Ich meine, immer gut.
    In unsre Fehler tritt der Fuß des Herrn,
    Und Segen träufelt, wo wir es nicht ahnen.
     
    (überlauter Lärm im Lager)
     
    Bibel:
    Hast du gehört? Das ist ein Wendepunkt!
    Wie bang mir ist!
    Phantasie:
    Um Beide?
    Bibel:
    Ja, um Beide!
     
    (mit zusammengelegten und erhobenen Händen einige Schritte auf die Phantasie zu tuend)
     
    Nicht etwa, daß ich zweifle; nein, o nein!
    Denn was die Andern nur im Worte fassen, Das habe ich in Wirklichkeit erfaßt, Und Gottes Wege sind mir wohlbekannt,

    Jedoch die Schläge deines Riesenhammers,
    Die möchte ich dem Vater gern ersparen,
    Weil sie ja schon den Sohn getroffen haben – – –
    Phantasie
(einfallend):
    Ersparen willst du? Meine Schülerin?
    Was wurde dir erspart? Als Weib? Als Mutter?!
     
    (sehr ernst, unter leisen, getragenen Harfenklängen)
     
    Wenn meine Zeit hier abgelaufen ist
    Und ich zurück zum Herrn der Welten kehre,
    Sollst du die Seele aller Menschen werden, An meiner Statt, doch herrlicher als ich.
    Wie ich dir jetzt das Leid der Erde bin,
    So darf ich dann die Seligkeit dir sein,
    Die unserm harten, trotzigen Geschlecht
    Nur durch das Kreuz gegeben werden kann.
    Du hattest schwer an diesem Kreuz zu tragen.
    Nicht einen Schmerz, den ich dir sparen konnte, Nicht eine Qual, von der ich dich erlöste, Und selbst noch heut, an deinem größten Tage,
    Der dir verlorne Welten wiedergibt,
    Bist du gezwungen, dich zu überwinden
    Und dich zu beugen, wo du siegen sollst.
    Und du, der nichts und nichts erlassen wurde,
    Die Alles trug, was Menschen tragen können,
    Du willst ersparen, willst verzeihen! Wem?

    Warum grad dem?
    Bibel:
    Weil ich nicht anders kann!
     
    (fährt demütig fort)
     
    Wenn unser Herr mir einst befehlen sollte,
    An deiner Stelle hier zurückzubleiben,
    So würde ich nur dann gehorchen können,
    Wenn ich vergeben und vergessen dürfte,
    Wo du, die Strenge, zu bestrafen hast.
    Gibt es denn keinen andern Weg empor Als nur das Elend und die Schmach der Erde?
    Ich will die Seele nicht des Tigers sein
    Und nicht des Löwen, sei er noch so edel.
    Nur Menschen, Menschen kann ich aufwärts führen,
    Barbaren und Heloten aber nicht,
    Zwar Menschen, die im Schmerz geläutert sind,
    Gehämmert, wie in deiner Geisterschmiede,
    Doch nicht gemartert und gequält wie – – – heut!
    Phantasie
(tief bewegt, beschattet die Augen mit der Hand, als ob sie in die Ferne schaue):
    Ich sehe es: Es kommt – – – es kommt – – – es kommt, Das hohe, edle, wahre Menschentum.
    Es ist schon unterwegs. Die Sterne leuchten,
    Und tausend Sonnen rüsten sich zum Tage.

    Wenn er erscheint, dann scheide ich von hinnen
     
    (die Hände auf das gesenkte Haupt der Bibel legend)
     
    Und segne dich, die Gottesgnade, ein.
    Wie war es doch? Wie sagte ich zu dir?
    Du sollst die Seele aller Menschen werden,
    An meiner Statt, doch herrlicher als ich.
    Noch herrlicher! Allein durch diese Gnade!
     
    (zieht die Bibel an sich)
     
    Wohlan, ich nehme dich in meine Arme
    Und klage mich vor dir der Härte an – – –
    Bibel
(einfallend):
    Sie lag in Raum und Zeit, doch nicht in dir!
    Phantasie:
    So wird der Gütige sie mir verzeihen – – –
     
    (im Lager drüben krachen Freudenschüsse)
     
    Bibel:
    Man schießt bereits.
    Phantasie:
    Es ist vorüber.
    Bibel:
    Horch!
     
    (Beide lauschen)

     
    Es kommt Jemand.
    Phantasie:
    Die »Seele«.
    Bibel:
    Schēfakā!
Zweiter Auftritt
    Die Phantasie. Die Bibel. Schēfakā kommt, in Eile und Aufregung.

     
    Schēfakā:
    Ich bringe Botschaft – – – gänzlich außer Atem – – –Ich muß mich setzen – –

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