Babel und Bibel
unten – – – wie die Seele!«
Wie klingt mir das! Mir graust vor diesem Worte!
Wozu dann dieser kalte, schwere Schmuck?
Wenn ich nur dienen soll, so ist er Lüge!
Scheik der Todeskarawane:
So wirf ihn ab, und mach dich frei von ihm!
Schēfakā
(langsamen Schrittes rückwärts gehend, sieht ihn mit großen Augen an):
Ich leg ihn ab – – – ich leg ihn wirklich ab – – –Ich traue dir!
Phantasie:
Das sollst du auch, mein Kind!
Bibel
(steht von ihrem Sitze auf, zu Schēfakā):
Gib her den Schmuck, das Kleid, die ganze Lüge!
Komm in den Turm, damit ich dich befreie
Und deine Last auf meine Schultern nehme, Für kurze Zeit – – –
(zur Phantasie)
wenn du erlaubst!
Phantasie:
Du darfst!
Die Bibel nimmt Schēfakā bei der Hand und verschwindet mit ihr in der Frauenabteilung des Zeltes.
Vierter Auftritt
Die Phantasie. Der Scheik der Todeskarawane.
Scheik der Todeskarawane:
Wir sind allein. Du bist – – –?
Phantasie
(lächelnd):
Die Phantasie.
Scheik der Todeskarawane
(nickt beistimmend):
»Die im Gefilde von Sitāra wohnt,
Dem hochgelegnen Tal der Sternenblumen;«
Jawohl, jawohl; das wußte ich bereits.
Jedoch da oben liegt auch Mǟrdistān
Und auch Kulūb, mit seiner Geisterschmiede.
Da lag ich einst, gefesselt und geknebelt,
Im Feuer – – in der Glut – – um Stahl zu werden – –
Und alle Hämmer schlugen auf mich ein – –
Doch war ich still – – ich trug die Qual und schwieg – –Und als die Lohe meine Seele faßte,
Die man mir nehmen, mir entreißen wollte,
Da schrie ich auf, doch nur in meinem Innern,
Zu Gott, dem Herrn, daß er mir helfen möge.
Da schwanden mir die Sinne, und ich sah
Vor mir ein gütig-mildes Angesicht
Und hörte eine Stimme, die mich bat,
Nur stark zu sein und mutig auszuharren, Dann werde die Erlösung sich vollenden.
Und heut erkenne ich dein Angesicht
Und deine Stimme. Du bist es gewesen!
Phantasie
(mit dem Finger auf ihn zeigend):
Als deine Phantasie. Du hast gehört: Ich heiße stets wie der, dem ich mich füge.
Scheik der Todeskarawane:
Als meine Phantasie! Wenn du sie wärst!
Ich würde dich aus tiefstem Herzen bitten,
Führ mich zurück in mein vergangnes Leben
Und dann hinab
(auf den Turm zeigend)
in diesen Turm zu steigen,
Um mir zu offenbaren, wer ich bin.
Phantasie:
Ich will es tun, doch nur, so weit ich darf.
Wer in Kulūb zum Geist geschmiedet wurde,
Der braucht nur Fingerzeige, weiter nichts.
Scheik der Todeskarawane:
So will ich kurz und auch nur wenig fragen.
Stamm ich von hier?
Phantasie:
Du bist der Sohn des Scheikes.
Scheik der Todeskarawane:
Und der Beweis?
Phantasie:
Den hast du selbst zu finden.
Scheik der Todeskarawane:
Und zweitens meine Mutter?
Phantasie:
Ist dir nahe.
Scheik der Todeskarawane
(freudig):
Ich danke dir, ich danke dir! Mir nahe!
Sie lebt! Sie lebt! Schon das ist mir genug!
(wieder sachlich)
Und drittens, gibt es unten in dem Turme
Wohl einen Saal mit einem Drachenbilde,
Vom Boden bis hinauf zur Decke reichend,
Den aufgesperrten Rachen voller Zähne?
Phantasie:
Das ist Kitāl, das Götzenbild des Kampfes,
In tiefem Blute stehend dargestellt.
Scheik der Todeskarawane:
So doch, so doch! Wie leicht wird mir, wie leicht!
Ich kam so völlig ahnungslos hierher,
Daß Alles, was ich sah, mich nur verwirrte,
Doch aber nun, nun wird es klar in mir,
Und unser Schach wird noch ganz anders enden,
Als ich erwartete – – – und wohl auch du!
Phantasie
(gütig):
Und wohl auch ich?
Scheik der Todeskarawane:
Du sahst mich in Kulūb,
So kennst du mich, so weißt du, wer ich bin!
Ich reite Schach, zwar für die Ān’allāh – – –
Phantasie
(einfallend):
Und aber doch für Mārah Dūrimēh!
Scheik der Todeskarawane:
Ganz so, wie du!
Phantasie:
O nein, doch etwas anders!
Scheik der Todeskarawane:
Doch aber geistig, nicht im Sande draußen,
Und auch nicht morgen oder übermorgen,
Schon heut, schon hier, so meisterhaft, so zwingend, Daß ich, bevor das Schattenspiel begann,
Schon wußte, wer dich leitet – – –
Phantasie
(scherzend):
Eure »Hexe!«
Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Schēfakā kommt zurück, wieder wie gewöhnlich gekleidet.
Schēfakā:
Ich komme ganz allein. Sie bleibt noch unten.
(zum Scheik der Todeskarawane)
Sie ist mein Gast. Sie wohnt in meinem Zelte.
Ich lud sie ein, weil ich sie liebe,
(sich an die Phantasie
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