Babel und Bibel
–
(geht nach dem Throne und läßt sich auf ihn nieder)
So, da sitze ich!
Kommt her!
(winkt sie rechts und links zu sich her)
Doch nein! Es zerrt mich wieder auf!
(verläßt ihren Sitz und geht, lebhaft gestikulierend, hin und her)
Wenn ich bewegt bin, muß ich mich bewegen!
(spricht in kurzen Absätzen, mit Zwischenpausen, während die Phantasie stehen bleibt, die Bibel aber nach dem Alabaster geht, um sich niederzusetzen)
Sie ist noch gar nicht tot – – – sie lebt vielleicht – – –Sie lebt sogar wahrscheinlich – – – ganz gewiß! – – – Doch darf sie niemals, niemals wieder her – – –Auch wenn sie wollte – – – ihres Glaubens wegen:
Das ist beschlossen worden – – – abgemacht!
Phantasie:
Du sprichst von Bēnt’ullāh?
Schēfakā
(bejahend):
Von Bēnt’ullāh – – –
Von der Verstoßenen – – – Ich liebe sie – – –
Zwar heimlich – – – aber doch!
Bibel
(in deren Nähe Schēfakā grad kommt, sie liebkosend):
Du bist die Seele!
Schēfakā
(zornig):
Mir Alles gleich – – – nur keine Ān’allāh!
(gedämpften Tones, heimlich tuend)
Dem Kādi soll es schlimm ergangen sein,
Auch dem Imām – – – vom Scheik! – – – Man hat gehorcht!
Doch öffentlich sind sie die besten Freunde – – –
Und Alles bleibt beim Alten – – – auch das Schach.
(wieder laut)
Das wird ein stolzes, imposantes Spiel.
Soll ich euch sagen, wie und wo?
Phantasie:
Wir hören!
Schēfakā
(stellt sich breitspurig hin und zeichnet mit weit ausgestreckten Armen zu dem, was sie sagt, die Linien)
Da draußen in dem Sande von Achkām,
Sind vierundsechzig Felder abgeteilt,
Auf denen
(erst nach links und dann nach rechts)
hier – – – und hier – – – Figuren stehen.
Und vor den Feldern, also – – – hier und – – – hier, Sind köstliche Altane hochgebaut,
Mit bunten Teppichen aus Fārahān,
Wo
(zeigt wieder nach links und nach rechts)
da der Scheik und – – – da die Hexe sitzt, Um ihre Züge laut zu kommandieren.
(im Hintergrunde erscheint der Scheik der Todeskarawane. Die Phantasie setzt sich auf den Thron. Die Bibel, welche auf dem Alabaster sitzt, zieht sofort den Schleier über ihr Gesicht. Schēfakā aber fährt, ohne den Ankömmling zu bemerken, in ihrer Beschreibung fort)
Die kämpfenden Figuren sind zu Pferde, Und jeder Zug erfordert Reiterkünste,
Bei denen wir den Feind beschämen würden,
Wenn nicht der Scheik der Todeskarawane
Das Schach zu reiten übernommen hätte.
Ich habe mich zunächst vor ihm gefürchtet;
Dann habe ich mich bloß nur noch gescheut,
Und jetzt kann ich schon leidlich mit ihm reden,
Doch für die Rolle, die er spielen soll,
Ist er gewiß und sicher unbefähigt;
Das sieht man ihm ja schon von Weitem an!
Dritter Auftritt
Die Vorigen.
Der Scheik der Todeskarawane, der sich leise und langsam genähert hat und nun hinter ihr steht.
Scheik der Todeskarawane
(heiter):
Das Schreckenskind! Sieht es von Weitem schon!
Schēfakā
(fährt zusammen, sieht sich um, weicht zurück):
Allāh, Allāh! Die Todeskarawane!
Ich bin belauscht! Ich muß mich wieder setzen!
(flüchtet sich nach dem Sitze ihres Vaters, auf den sie halb sich fallen läßt und halb wirklich fällt, weil er so niedrig ist. Hierüber erschrocken, schreit sie auf)
Das ist sehr tief!
Scheik der Todeskarawane:
Wie es der Seele ziemt!
Schēfakā
(will ihn widerlegen):
Sie ist doch Königin!
Scheik der Todeskarawane:
O nein!
Schēfakā:
Was sonst!
Scheik der Todeskarawane:
Sie ist die niedrigste der Dienerinnen, Die niedrigste, die ich mir denken kann,
Doch an der Seite dessen, der sie führt,
Steigt sie empor zum höchsten aller Throne.
Schēfakā:
Und der sie führt?
Scheik der Todeskarawane:
Das ist der Geist.
Schēfakā
(schnell):
Der Scheik!
Scheik der Todeskarawane
(ohne diese ihre Meinung zu beachten):
Doch dient auch er.
Schēfakā:
Ich denke, er beherrscht?
Scheik der Todeskarawane:
Nur sich allein, als höchster aller Fürsten.
Doch aber, wenn er in die Tiefe steigt,
Um die verlorne Seele heimzuführen,
Dann wird er Knecht, der niedrigste der Knechte,
Und wenn ihn nicht die Gnade Gottes hält,
Ist er verloren – – – unten – – – wie die Seele!
Schēfakā
(springt auf, ist ernst geworden):
»Und wenn ihn nicht – – – die Gnade Gottes hält,
Ist er verloren – – –
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