Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
begonnen.«
    Pyljow verabschiedete sich schnell, um das Gespräch nicht unnötig auszudehnen. Einen klugen Kopf muß man haben, lobte er sich selbst, während er zu seiner Wohnung eilte.
    Schulfrei war heute, wegen Babkins Begräbnis. Man konnte das nicht mehr rückgängig machen – wer rechnet schon damit, daß ein Toter wieder munter wird. So hatte Pyljow Zeit, sich in den kleinen Stadtpark auf eine Bank zu setzen und weiter nachzudenken.
    Seht ihr, das ist ästhetisch. Man brauchte Babkin gar nicht umzubringen – seine Nachgiebigkeit war durch Geisteskraft zu erreichen. Der Dosenwurst wegen würde er schweigen, als sei er tot; welch ein Erfolg der Überlegungen!
    Eigentlich hatte ihn, Pyljow, der raffinierte Pope auf diese Idee gebracht. Bei ihrem nächtlichen Gespräch über die Möglichkeit, wie man den gefährlichen Auferstandenen doch noch verstummen lassen konnte, hatte Waninow gefragt: »Weiß denn niemand etwas, was Babkin gern verschwiegen haben möchte?«
    Und da hatte sich Pyljow an eine Erzählung Nellis erinnert, daß man heute einen ganzen Sack voll Brotreste zermahlen und in den Wurstbrei gemischt hatte. Nicht nur, daß man auf diese Weise ein Drittel mehr Dosen herstellen konnte, es schmeckte auch noch gut, wenn man mit Thymian nachwürzte.
    Außerdem: Wer in Perm oder Kujbyschew, Berjosniki oder Kasan sibirische Dosenwurst ißt, rechnet damit, einem ganz eigenständigen Geschmack zu begegnen. Das ist ja der Reiz der Sache: Wurst aus Sibirien. Da spürt man das Urtümliche auf der Zunge …
    Pyljow beglückwünschte sich: Die Sache mit der Wurst war ein Volltreffer, genauso wie der Schrank mit dem doppelten Boden. Nie würde es Babkin jetzt noch einfallen, ein Wort über Bobo zu sagen. Die Freiheit seiner, Pyljows, Neigungen war errungen. Beglückwünsche dich, Boris Witalowitsch – deinetwegen darf Babkin munter weiterleben. Was mit den anderen geschieht … ist's meine Sache?
    Unterdessen saß Babkin vor den leeren Tellern am Tisch, hatte seine Eier und den Pfannkuchen gegessen und schlürfte jetzt Tee aus einer hohen Tasse. Tee, gesüßt mit Honig. Zur Stärkung der Nerven, wie er sagte. Er hatte sie nötig; der Tag hatte gerade erst begonnen, von der Uhrzeit her müßte er, Babkin, jetzt in der Erde liegen, und Sobakin, der Totengräber, schaufelte das Grab zu. Nina, die Witwe, aber würde Hunderte von Händen schütteln, keine Träne mehr vergießen, sondern fröhlich plaudern. Und am Abend, wer weiß, kamen Afanasjew oder Sawitzkij, Blistschenkow oder gar Narinskij, um die nun Alleinstehende zu trösten.
    Welch eine Bande!
    »Was soll ich mit dir tun, Nina Romanowna?« fragte Babkin und sah seine Frau sinnend an. »Meine Vorfahren ertränkten in solchen Fällen ihre Weiber im Fluß. Es gab einen Babkin im Jahre 1698, der pflegte bei Streitigkeiten seine Frau an den Haaren aufzuhängen. Bei kleinen Streitigkeiten! O je, was müßte ich dann mit dir machen! Hast du einen Vorschlag, Nina?«
    »Du darfst mich töten …«, stammelte sie, kreideweiß werdend.
    »Hüten werde ich mich! Damit es überall bekannt wird: Getötet hat er sie, weil sie ihm Hörner aufsetzte! Wer ist dann gestraft, du oder ich? Über mich wird man lachen und heimlich sagen: Das gönnen wir ihm! Ist einer der reichsten Männer von Ulorjansk, aber sein Weibchen läuft wie eine Katze zu den Katern. Nein, nein, ich muß mir etwas anderes ausdenken …«
    Er ließ Nina in verzweifelter Angst zurück und blickte hinüber zu Nelli, die darauf wartete, den Tisch abzuräumen.
    »Und du?« fragte Babkin. »Was machst du hier? Warum bist du nicht bei deinem Mann, du Schlampe? Oder im Jugendheim, um von Lenin zu erzählen? Oder bei den Komsomolzen, um über die Gefährdung unserer Welt durch die Amerikaner zu sprechen? Wo nimmst du dummes Luder bloß die Frechheit her, geistvolle Reden zu halten?«
    Nelli, seit Babkins Auferstehung am Ende ihrer Nerven, begann sofort zu weinen. »Ein … ein Feiertag ist doch heute. Alle anderen Veranstaltungen sind abgesagt, Väterchen.«
    »Ein Feiertag? Welcher denn?«
    »Dein Begräbnis …«
    »Ein Feiertag!« sagte Babkin dumpf. »Jetzt ist's heraus … Wenn Babkin stirbt, wird gefeiert. Diese elende Welt! Vielleicht sogar noch mit Tanzmusik …«
    Genauso war's auch. Sechs Musiker waren schon bestellt gewesen: Waninow, der Retter in jeder Not, hatte noch rechtzeitig verhindern können, daß sie auftauchten.
    »Die größten Halunken habe ich erledigt«, sagte Babkin nachdenklich und

Weitere Kostenlose Bücher