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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zufriedenheit die Schreinerei. Es störte ihn nicht, daß Mischin hinter ihm fürchterlich zu fluchen begann, ihm die Hölle an den Hals wünschte und irgend etwas, was er gerade greifen konnte, an der Wand zerschlug.
    »Und nun zu Dr. Poscharskij, Wadim Igorowitsch«, sagte Babkin zu sich und federte in den Kniegelenken. »Wenn man's genau betrachtet, ist er an allem schuld.«
    Niemand in Ulorjansk, auch der Gehässigste nicht, hätte behaupten können, Dr. Poscharskij sei ein Säufer. Aber nein! Immerzu hielt er seinen Patienten die Gefährlichkeit des Trinkens vor, nannte den Wodka ein Elixier des Satans – was vor allem Manykin, den Betriebsleiter der Wodkabrennerei ›Fortschritt‹ in Ulorjansk ständig ärgerte – zeigte in besonders markanten Fällen von Trunksucht Fotos, auf denen verblödete Alkoholiker in die Kamera grinsten, aber das half wenig bei einer Bevölkerung, die im Winter vierzig Grad Frost erdulden muß und der die Ofenwärme allein nicht genügt. Man halte also fest: Dr. Poscharskij betrachtete Alkohol, medizinisch gesehen, als Gift.
    Um so mehr war es verwunderlich, daß sich Bairam Julianowitsch in der vergangenen tragischen Nacht derart besoffen hatte, daß er am Morgen vor seinem Bett, auf den Dielen liegend, aufgewacht war und nun mit einem Schädel, der sich quadratisch anfühlte, ein spätes Frühstück in sich hineinquälte.
    Babkins Scheintod hatte ihn schwer mitgenommen, ärger, als es der Doktor zeigte. Die stille Klage, warum gerade ihm etwas medizinisch so Seltenes begegnen mußte, wurde noch übertroffen von der Angst, alle Welt könne ihn dafür verantwortlich machen und ihn der Lächerlichkeit preisgeben.
    Das wäre das Ende, denn wer – seien wir ehrlich, Genossen – geht noch zu einem Arzt, über den man lacht, weil ihm Tote auferstehen? So etwas bedeutete, die schöne Praxis in Ulorjansk aufzugeben, irgendwo anders hinzuziehen und von neuem anzufangen – und das im Alter von Sechsundsechzig Jahren. Welch ein Ende für einen Mediziner!
    Rätselhaft war auch, wieso Babkin nach einer Spritze, wie er sie bekommen hatte, so schnell wieder aufwachen konnte.
    Am Mittel muß das liegen, hatte Dr. Poscharskij wütend gedacht. Nur daran! Wasserhell ist es, und weiß man, ob man in der pharmazeutischen Fabrik nicht wirklich Wasser dazu gemengt hat, um das Soll zu übertreffen und eine Prämie zu kassieren? Möglich ist alles in diesem Land.
    Bairam Julianowitsch hatte daraufhin seiner Frau Iwetta, zwanzig Jahre jünger als er und von der umwerfenden Schönheit einer Grusinierin, eine Injektion angeblich gegen den Heuschnupfen gegeben, unter dem sie leider litt. In Wirklichkeit war es das Schlafmittel gewesen, das er auch Babkin gespritzt hatte.
    Die schöne Iwetta sank darauf innerhalb von zehn Minuten in einen Schlaf, der einer Narkose glich. Bewiesen war damit, daß die pharmazeutische Fabrik ein reines, ungepanschtes Mittel geliefert hatte. Verzeiht, Genossen vom Kombinat ›Lob der Wissenschaft‹ in Kasan!
    An Babkin allein lag es … Eine Natur mußte er haben, die über das allgemein Menschliche hinausging. Ein Urtyp, anthropologisch ausgedrückt. Ein Phänomen, wie schon gesagt.
    Dr. Poscharskij öffnete selbst die Tür, als es klingelte, denn Iwetta lag ja noch regungslos im Bett und pfiff leise beim Atmen vor sich hin. Ihr Blutdruck war normal, die Herztätigkeit auch … Poscharskij hatte alles gemessen und war zufrieden.
    »Sie?« sagte er gedehnt, als er Babkin vor der Tür stehen sah. »Haben Sie mir nicht versprochen, kein Aufsehen zu erregen? Warum bleiben Sie nicht zu Hause?«
    »Sie müssen mir etwas verschreiben, Genosse Doktor.« Babkin kam in die Wohnung und blickte sich suchend um. »Ein Kräftigungspräparat. Ist Iwetta Borissowna ausgegangen?«
    »Sie schläft …«
    »Jetzt noch? Ha, Bairam Julianowitsch, Sie stinken nach Schnaps! Und wie Sie stinken! Ein kleines Fest gestern! Was ist denn gefeiert worden? Darf man zu irgend etwas gratulieren? Und Iwetta hat's gepackt, sie schläft noch; ist ja so zart – und dann der harte Wodka.«
    »Babkin, was wollen Sie wirklich bei mir?« fragte Dr. Poscharskij. Er schloß die Tür und spürte so etwas wie einen kalten Griff an seinem Herzen. »Sie sollten sich schonen. So etwas wie ein Wunder sind Sie.«
    Er ging voraus in das ziemlich große Wohnzimmer, blieb dort stehen, bot Babkin keinen Stuhl an, sondern legte eine Hand vor den Mund und hauchte hinein. Dann schnüffelte er daran und sah Babkin streng

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