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Baby-Bingo

Baby-Bingo

Titel: Baby-Bingo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla und Martin Moretti
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Hauch eines Anzeichens, dass sie dazu Lust hätte. Und ich möchte sie auf keinen Fall drängen. Auch physisch war die Fehlgeburt mit Verletzungen verbunden, die sicher noch nachwirken.
    »Willst du noch kurz mit hochkommen?«
    Ich sehe, wie der Taxifahrer grinst. Vermutlich hat er diesen Dialog schon tausendmal gehört.
    »Warum nicht?«, höre ich mich sagen.
    Aber wir kommen nicht bis in Renas Wohnung im vierten Stock: Es passiert bereits im Aufzug. Diese prallen Lippen, was für eine Zumutung auch. Ich gebe der Versuchung nach, die ich schon den ganzen Abend verspüre. Wenn ein Kuss wie Sex sein kann, dann dieser. Er dauert eine gefühlte Stunde. Und erst, als der Aufzug von anderen Hausbewohnern wieder nach unten geholt wird, holen sie Rena und mich damit in die Realität zurück. Kurzzeitig. Um den Schein zu wahren, steigen wir im Erdgeschoss aus, lassen die anderen in den Aufzug steigen und knutschen im Treppenhaus weiter.
    Eigentlich wollte ich Rena nur mit dem Taxi zu ihrer Wohnung bringen und dann weiter nach Hause fahren. Ja, da ist es wieder, das »eigentlich«, das einen so großen Unterschied machen kann.
    Ich kann und mag mich nicht von Rena lösen. Auch nicht später, oben in ihrer Wohnung. Sie gibt mir das Gefühl, das ich lange vermisst habe: begehrt zu werden. Ich fühle mich lebendig. Ich fühle mich jung. Ich fühle mich gut.
    Es hat in den zwei Stunden, die ich bei Rena verbrachte, nochmals geschneit. Der unberührte Schnee knirscht unter den Ledersohlen meiner Schuhe, denen dieser lange Spaziergang sicher nicht guttut. Egal. Ich werde sicher eine Stunde bis zu unserer Wohnung unterwegs sein. Es ist eiskalt. Aber ich brauche die Dezembernachtluft, um wieder klarer zu werden im Kopf. Zum einen ist da immer noch die Wirkung des Alkohols. Zum anderen wird mir erst jetzt so richtig bewusst, was ich da gerade getan habe. Ich schwanke zwischen Euphorie und schlechtem Gewissen.
    Als wir uns kennenlernten, hatten Carla und ich auch einmal spielerisch darüber diskutiert, was wir tun würden, wenn wir erfahren, dass wir vom Partner betrogen werden.
    »Ich würde dich sofort verlassen«, sagte Carla. Eine Antwort, die ich konsequent und gut fand. Es war für mich sowieso die pure Theorie, eine Frau wie Carla jemals zu betrügen.
    »Und du?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Vielleicht würde ich es dir sogar verzeihen. Kommt drauf an.« So richtig überzeugt davon war ich aber nicht von meiner Theorie. Vermutlich würde ich ebenso radikal reagieren wie sie.
    »Aber wir sollten vielleicht noch klären, was genau eigentlich Betrug bedeutet«, sagte Carla. »Ist denn Knutschen schon Betrug?«
    Wir fanden darauf damals keine eindeutige Antwort, soweit ich mich erinnere. Und machten es abhängig von der Länge und Intensität des Kusses. Von der Situation und ob es nur einmal passiert. In der anfänglichen Beziehungseuphorie waren alle Gedanken daran weit entfernt, dass die Definition des Wortes »Betrug« irgendwann mal für uns relevant werden könnte.
    Ist Knutschen denn schon Betrug?
    Ich befürchte, wenn Carla mich eben mit Rena im Aufzug gesehen hätte, wäre für sie die Frage eindeutig beantwortet. Ich hätte mich als potenzieller Vater ihres Kindes weit ins Aus geschossen. Und das, obwohl es in Renas Wohnung nicht zum Äußersten kam. Zwar beinahe, aber wir hatten keinen Sex. Das ist der moralische Strohhalm, an den ich mich klammere. Immerhin ging ich in Eigeninitiative, bevor es dazu kam.
    Man sollte das alles nicht zu hoch hängen. » A kiss is just a kiss .« Diese legendäre Erkenntnis vermittelte Barpianist Sam im Film Casablanca Humphrey Bogart. Das war vor 70 Jahren! Und auch in meiner Jugendzeit gab es kaum eine Party ohne wildes Geknutsche. Im Prinzip aber völlig harmlos.
    Schon klar, für einen kurzen Kick habe ich verflucht viel aufs Spiel gesetzt. Und es war kein Blackout, dazu war ich nicht betrunken genug. Ich habe die Stunden mit Rena auch bewusst genossen.
    Mit jedem Schritt durch die kalte Nacht nimmt die Euphorie über das Abenteuer ab, das schlechte Gewissen zu.
    Gibt es mildernde Umstände? Vielleicht dass mir Carla seit Monaten so gar nicht das Gefühl gibt, ein begehrenswerter Mann zu sein. Vielleicht dass Rena auch meine Arbeitswelt kennt, dass wir viele Berührungspunkte haben, denselben Humor. Vielleicht dass es für jeden Mann schmeichelhaft ist, wenn eine attraktive junge Frau ihn interessant findet.
    Vielleicht. Vielleicht. Vielleicht.
    Sicher ist, dass ich

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