Babylon: Thriller
Ausstellungsraum. Die meisten Bilder verkaufte er zu enormen Preisen an Privatkunden. Wenn mir das Wissen fehlte, um Hals Rätsel zu lösen, musste ich mir bei Leuten wie ihm Rat holen.
Seine Assistentin informierte uns, dass wir ihn im zweiten Stock antreffen würden. Phillip nutzte diesen Raum normalerweise als Lager und für Restaurierungsarbeiten. Heute jedoch war der Raum völlig leer, so dass er viel größer erschien. Die Wände hatten einen frischen weißen Anstrich und der Fußboden blitzte. Über die Decke war eine Leinwand mit den Michelangelo-Fresken aus der Sixtinischen Kapelle gespannt.
Laurel wusste nicht, was sie davon halten sollte. »Nun«, sagte sie und suchte nach einem halbwegs höflichen Kommentar, »wenn man sich das Echte nicht ansehen kann, dann, so nehme ich an, ist dies allemal besser, als in einem Buch zu blättern. Die Ausführung ist überraschend gut.«
Mein Urteil wäre sicher nicht so schmeichelhaft ausgefallen.
Eine Stimme hinter mir unterbrach meine Gedanken. »Ziemlich gewagt, meinen Sie nicht? Fünfzehn Kunststudenten haben zwei Monate dafür gebraucht.«
Hinter uns stand ein hochgewachsener, schlanker Mann mit schütterem grauem Haar und wässrig blauen Augen, vergrößert durch die dicken Gläser einer Brille, dass sie so groß wirkten wie die eines Babys.
»Phillip.« Ich reichte ihm die Hand. »Das ist Laurel, eine Freundin.«
Er schüttelte mir kurz und kühl die Hand und bedachte Laurel mit einem freundlichen Lächeln.
Ich erklärte, dass sie gerade an ihrer Dissertation in Philosophie arbeitete. Phillip mochte Leute, die eindrucksvolle Titel führten.
»Was führt dich hierher?« Er wandte sich zu mir um. »Gewöhnlich sehen wir dich nur, wenn es etwas zu verdienen gibt. Etwa bei Veranstaltungen, wo du neue Kunden an Land ziehen kannst.«
»Ich brauche Informationen über einen Dürer.« Die Bemerkung, die er gemacht hatte, klang ziemlich bissig. Das überraschte mich, denn soweit ich wusste, standen wir eigentlich auf freundschaftlichem Fuß. Dann klickte es bei mir. Ich war so tief in meiner Trauer über Samuels Tod versunken, dass es mir entgangen war. Der stetige Rückgang von Partyeinladungen und Arbeitsangeboten.
Wie Höflinge in königlichen Palästen konnten die entscheidenden Leute in unserer Welt augenblicklich die Reihen schließen. Ich erhielt Aufträge aufgrund meiner Verbindung mit Samuel, und sie verehrten ihn. Die Leute machten mich für seinen Tod verantwortlich. Man konnte zu den Spitzen meiner Branche gehören, doch wenn man stolperte, stritten sie sich darum, wer den tödlichen Stoß mit dem Messer ausführen durfte. Samuels Tod hatte nicht nur ein quälendes Gefühl tiefer Trauer hinterlassen, das wohl nie ganz verschwinden würde, sondern er konnte auch das Ende meiner Karriere bedeuten.
Ich tat so, als bemerkte ich seine Eiseskälte nicht. Phillip war mit mir nie richtig warm geworden, und unsere erste Begegnung war auch nicht allzu erfolgreich verlaufen. Ich war einmal nach einer Auktion mit einigen anderen Händlern durch die Bars gezogen. Einer von ihnen feierte ein besonders lukratives Geschäft, indem er uns mit dreiundzwanzig Jahre altem Evan Williams Bourbon abfüllte. Im Verlauf des Abends schütteten wir uns ziemlich zu. Phillip, der sich mit seinen sexuellen Eskapaden brüstete, erzählte uns, er habe einmal eine Stunde und fünf Minuten lang durchgehalten. Ich fragte ihn daraufhin, ob das in der Nacht während des Wechsels von Winter- auf Sommerzeit gewesen sei. Das kam bei ihm nicht allzu gut an.
Ich suchte nach etwas Positivem, das sich über die Michelangelo-Reproduktion sagen ließ. »Das ist für deine Galerie ein ziemlich ungewöhnliches Ausstellungsstück.«
Er lächelte. »Ein Wohltätigkeitsprojekt. Jedes Feld wird von einer anderen Firma gesponsert. Gestern Abend fand die Veranstaltung statt und es ist eine ganze Menge zusammengekommen.« Er deutete vage in Richtung der Szene, in der Gott die Hand Adams berührt. » IBM hat allein für diesen Teil zehntausend auf den Tisch gelegt. Wir mussten ihnen jedoch ausreden, Adams edlere Körperteile mit dem IBM -Logo zu verschönern.«
Laurel starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Der Schock stand überdeutlich in ihrem Gesicht geschrieben. Er grinste, um ihr zu signalisieren, dass er nur einen kleinen Scherz gemacht hatte. Ich stimmte in sein Lachen ein, dem ich jedoch nicht ganz trauen wollte. »Wie lange soll das noch hängen?«, fragte ich.
»Oh, mindestens bis
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