Babylon: Thriller
einen Plünderer zu, der eine Kettensäge schwang, um den Kopf einer in Khorsabad gefundenen Statue abzuschneiden. Die Kettensäge war dafür konstruiert, weiches Holz zu schneiden. Ihre Kette würde den Kalkstein splittern lassen und das Objekt völlig zerstören. Tomas stürzte sich auf den Mann. Der hob drohend das rotierende Kettenblatt.
Ari, der größere der beiden Brüder, schlang die kräftigen Arme um Tomas’ Taille und zog ihn gerade noch rechtzeitig zurück. »Um Gottes willen«, rief er, »sie bringen dich um!«
Er schaute sich gehetzt um und suchte nach einem Fluchtweg. Dies war das Reich seines Bruders. Tomas kannte das System der Flure und Räume des Museums besser als er. Mit seiner hellen Haut und dem rötlichen Haar war Ari eine auffällige Erscheinung und machte sie beide um einiges verwundbarer. Ohne elektrisches Licht waren die Gänge düster und wurden nur von dem wenigen Tageslicht erhellt, das ins Gebäude drang. Das Gebäude erinnerte an eine gigantische Leichenhalle. Die größten Artefakte, Objekte, die zu schwer waren, um abtransportiert zu werden, waren zu ihrem Schutz in Decken eingewickelt worden und glichen toten Riesen, die auf ihre Beerdigung warteten.
Im Dämmerlicht konnte Ari die riesigen Lamassu erkennen, geflügelte Stiere mit menschlichen Köpfen, die das gewölbte Portal der assyrischen Abteilung bildeten. »Komm mit«, flehte er Tomas an. »Hilf mir. Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.« Er drückte seinen Bruder rücklings gegen einen der steinernen Wächter und hielt ihn fest. »Atme ein paarmal tief durch und beruhige dich.«
Tomas versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich muss zurück nach draußen. Irgendwo in der Nähe steht ein Panzer.«
»Das hat der Direktor schon versucht. Er war drei Mal im Hotel Palästina und hat das Militär um Hilfe gebeten. Keine Chance. Komm jetzt, Samuel wartet auf uns. Wir sind schon spät dran.«
»Ich kann das nicht. Wir sind nicht besser als diese Diebe hier.«
»Würdest du es lieber für die Plünderer zurücklassen?«
Tomas machte einen weiteren matten Versuch, sich zu weigern, doch diesmal gab Ari nicht nach. Sie eilten durch dunkle Korridore zu einer kleinen und staubigen Restaurationswerkstatt.
Ein kleiner, älterer Mann wartete dort auf sie, das Gesicht starr und angespannt vor Nervosität. Als er die beiden Brüder erblickte, seufzte Samuel Diakos erleichtert auf. »Endlich! Ich habe mir schon große Sorgen gemacht.«
Tomas presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. »Sehen wir endlich zu, dass wir die Sache zu Ende bringen. Möge Gott uns gnädig sein!« Auf dem Fußboden lagen zertrümmerte Tongefäße, als ob ein Wirbelsturm durch den Raum gefahren wäre.
Samuel hörte ihm nicht mehr zu. Schneller und gewandter, als man es von einem Mann seines Alters erwarten konnte, eilte er zu einer Reihe vollgestopfter Regale vor der hinteren Wand. Ari stemmte sich mit der Schulter gegen das letzte Regal in der Reihe und schob es von der Wand weg. Dahinter kam eine kleine, quadratische Stahltür zum Vorschein.
Samuel ging auf die Knie hinunter. »Ich glaube nicht, dass sich jemand an dem Schloss zu schaffen gemacht hat.« Er gab Ari mit einer Geste zu verstehen, er solle den Leinensack, den sie mitgebracht hatten, auf einen langen Tisch legen, auf dem sich Verpackungsmull, Staubpinsel und Messwerkzeuge befanden, die zur Bearbeitung der daneben liegenden Tontafeln und geborstenen Inschriftenplatten dienten.
Samuel öffnete die Stahltür und warf einen Blick in das dunkle Innere des Tresors. »Es ist noch da. Wir sind rechtzeitig hergekommen.« Er holte den schweren rechteckigen Basaltklotz heraus und legte ihn behutsam auf den Tisch.
Eine schwarz gekleidete Gestalt, die Griffe einer Reisetasche über der Schulter, erschien in der Türöffnung. Samuel, der mit der Inschrift beschäftigt war, bemerkte ihn zuerst gar nicht, doch Ari und Tomas beeilten sich, dem Mann den Weg zu versperren. Der Dieb nahm die Tasche von der Schulter und stellte sie vorsichtig auf den Fußboden. Er winkte Samuel zu. »Das nehme ich an mich«, sagte er.
»Verschwinden Sie!« Tomas attackierte den Mann.
Der Dieb holte aus und versetzte ihm einen wuchtigen Tritt in den Unterleib. Tomas knickte schmerzgepeinigt nach vorne ein und sackte zu Boden. Das Kampfmesser lag plötzlich in der Hand des Diebs. Ari machte einen Schritt über Tomas hinweg, stoppte die Vorwärtsbewegung der Messerhand und verpasste dem Mann einen kraftvollen
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