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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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versuchte. Leider stand ein wichtiges Meeting an, das er nicht versäumen durfte. Der große Boss war anwesend. Ohne sich einen braunen Hals zu holen würde er nicht weiterkommen. Und er war zu Höherem bestimmt. Heute Abend, da würde er es ihnen beweisen, den Speichelleckern und Fersengeldlern, dass er auf der Zielgeraden überholte!
    In letzter Zeit war das Glück nicht auf seiner Seite gewesen, aber eine Pechsträhne hatte jeder einmal. Wenn er da durch war, wartete ein wahrer Goldregen auf ihn. Er war Angestellter einer Bank, wen also sollte er um einen Kredit bitten, wenn nicht sich selbst? Ohne lange nachzudenken bediente er sich an Kundengeldern. Bald schon würde er die Einsätze wieder zurückzahlen und keinem würde es auffallen.
     
    *
     
    „Schatz, kommst du heute pünktlich nach Hause?“
    „ Ja, Mira.“
    „ Mir reicht es nicht mehr zum Einkaufen und wir haben kein Klopapier mehr im Haus.“
    „ Ist gut, bringe ich mit.“
    „ Ach, du und deine Versprechungen. Als ob ich mich jemals auf dich verlassen konnte.“
    „ Mira, ich habe dir doch versprochen, pünktlich nach Hause zu kommen.“
    Eine Lüge, die ihm glatt über die Lippen ging. Was glaubte denn diese blöde Kuh, woher ihr Haushaltsgeld kam? Er packte seinen Aktenkoffer zusammen und machte sich auf zum Flash Chance in der achtunddreißigsten Straße.
     
    *
     
    Nathans Favorit waren eindeutig die einarmigen Banditen. Mit einer Spur von schlechtem Gewissen dachte er daran, dass ein zweibeiniger Bandit davor sitzen würde. Die bunten Lichter lullten ihn ein, spendeten Wärme und Geborgenheit. Manchmal bildete er sich ein, hinter den ratternden Bildreihen mehr zu sehen. Digitale Träume, die Seele der Roboter. Zärtlich rieb er den Münzschlitz, um die Glücksgötter zu besänftigen. Allein an Opfergaben mangelte es nicht. Mit Centbeträgen fing er an. Spielte sein Vermögen in kleinen Schritten runter. Dann ging es wieder aufwärts, der Kasten blinkte und funkelte, um ihm zu verkünden, dass er fünfzehn Freispiele gewonnen hatte. Die Chance! Den Rückstand wieder einholen. Verlieren, und der Geldspeicher blieb gleich. Der Geist des Abenteuers. Er verstand den Ablauf der logischen Zahlenreihen nicht wirklich und warum eine Kombination mehr Punkte einbrachte als die andere. Er betrachtete sie mit der Faszination gewisser Urvölker für die Mysterien der westlichen Zivilisation. Sein Punktestand wuchs und wuchs. Jeder vernünftige Mensch hätte das Spiel beendet und den Gewinn mitgenommen. Nathan fieberte größeren Summen entgegen. Es war ein Zeichen des Wächters. Er würde den Jackpot knacken. Da spielte es keine Rolle, dass er wieder weit hinten lag. Zwischentiefs beeindruckten ihn nicht.
    Er spielte auf Risiko, die Firmengelder in der Tasche. Ein Münzbecher zu seiner Rechten. Per Buzzer konnte man eine Bedienung rufen, die Bestellungen für Getränke und kleine Snacks entgegennahm. Sonst wäre er vielleicht verdurstet oder verhungert. Nathan vergaß Zeit und Raum. Weit nach Mitternacht öffnete er die Tür zu seinem Apartment. Mira schlief schon. Auf dem Tisch stand sein erkaltetes Abendessen.
     
    *
     
    Nathan zog seine Hose aus und legte sich aufs Sofa. Er hatte sich damit abgefunden, dass seine Frau ihn nicht im Schlafzimmer haben wollte. Denn nachts redete er im Schlaf. Schlug um sich.
    Es dauerte lange, bis er das Land der Träume erreichte. Er dachte an das enttäuschte Gesicht, das Mira beim Frühstück wieder machen würde. Warum schaffte er es nicht, sie glücklich zu machen? Warum stand er sich immer selbst im Weg? Dabei liebte er sie doch. Die Schuldgefühle durchzogen seinen Magen mit bitteren Krämpfen. Er zerkaute eine kleine weiße Tablette gegen das Sodbrennen, sonst wäre er nie zur Ruhe gekommen.
    Nathan träumte davon, das Pik-Ass zu sein, das Runde um Runde drehte. Doch vor dem einarmigen Banditen saß nicht er, sondern ein alter Mann, der seinen Kopf sorgenvoll schüttelte.
     
    *
     
    Den ganzen Morgen wühlte er sich durch Aktenberge. Führte sinnlose Telefongespräche mit seinem Bruder über das Befinden seines Neffen. Knallte fluchend den Hörer auf. Verfolgte die neusten Infos im Webticker, als hinge sein Leben davon ab.
    Sein Leben vielleicht nicht, aber seine Karriere. Die einst so sicheren Aktienfonds waren zusammengebrochen. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen. Nein, auch nicht richtig. Er log sich in die eigene Tasche. Die Anzeichen waren schon länger da gewesen. Aber wer hätte damit gerechnet,

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