Babylons letzter Wächter (German Edition)
Jakobs Ratschlag. Jakob war sein letzter Freund gewesen, bis ein Gehirnschlag ihn holte. Er riet ihm, sich ein Haustier gegen die Einsamkeit anzuschaffen. Das wirkte manchmal Wunder. So war er zu Mopsy gekommen.
Im Tierheim fiel er ihm sofort durch seinen gedrungenen kleinen Körper und das muntere Grinsen auf, das dem Köter ins Gesicht geschrieben stand. Schmitt hatte noch nie einen Hund gesehen, der grinsen konnte. Er hatte sich sofort in ihn verliebt. Die Leere der letzten Wochen schien ihm weniger auszumachen, wenn Mopsy an seiner Seite war. Bis zu dem Tag, als der Hund aufgeregt bellend die Treppe hoch stürmte, und Schmitt seine Frau in den letzten Zügen fand. Krampfhaft bemühte sie sich Atem zu holen, doch jeder Versuch pumpte noch mehr der tiefen Dunkelheit in sie hinein. Zuletzt fiel ihre Hand auf den Nachttisch, und ein Zettelstapel geriet ins Wanken. Schmitt stand im Herbst seiner Jahre, der Blättersturm schleifte ihn mit, riss ihn zu Boden und trieb ihm die Tränen in die Augen.
*
Seit diesem Tag schlief Mopsy in seinem Bett und trank Kaffee aus seinem Trinknapf. Die Abende verbrachten sie im Wohnzimmer, über dem immer noch der Geist von Schmitts toter Frau schwebte, und hörten alte Schallplatten mit klassischer Musik.
Mopsy liebte die Spaziergänge im Park. Schmitt nahm ihn von der Leine, damit er nach Herzenslust herumtoben konnte.
An einem Kinderspielplatz machten sie Rast. Mopsy knurrte hungrig.
„ Na, magst ein Leckerli?“
Der Hund verstummte und schaute ihn aus großen Augen an.
„Hat mein kleiner Racker Hunger?“
Aufgeregtes Schwanzwedeln.
„Ja, gleich gibt es ein feines Fressi-Fressi. Da freust dich, gell? Dann hol dir dein feines Fressi-Fressi!“
Mopsy ließ sich das nicht zweimal sagen und raste auf den Sandkasten zu. Er schnappte sich einen kleinen Jungen, der gerade mit seiner Schaufel Muster in den Sand zog.
„Brav.“
Schmitt stand auf, seine arthritisgeplagten Gelenke knackten wie Holzscheite im Kamin. Die zappelnden Bewegungen des Kindes nahmen ab, als Mopsy ihm die Kehle durchbiss. Verstummen der Muskulatur. Schmatzend riss Mopsy ihm große Fleischbrocken aus dem Gesicht.
„Nicht so gierig! Du wirst dich noch verschlucken.“
Schmitt streichelte dem Hund sanft über den Kopf. Er fürchtete sich nicht, gebissen zu werden. Mopsy war nur immer so unruhig, wenn er lange nichts gegessen hatte. Mit den ersten Bissen im Magen war er gleich viel ausgeglichener. Sein Stummelschwanz wedelte bereits wieder.
„Magst wieder spielen? Warte, bis wir zuhause sind. Aber vorher muss ich dich saubermachen. Hast dich von oben bis unten bekleckert. Wo bleiben nur deine Hundemanieren?“
Schmitt zog ein blutverkrustetes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte Mopsy die Schnauze ab.
„Nun halt schon still!“
Mopsy schnaubte einen Blutregen.
„So. Jetzt siehst du wieder ordentlich aus.“
Müllmann
Dabei übersah er den Typen mit dem schwarzen Tuchmantel. Vielleicht auch nur, weil dieser mit den Schatten verschmolz. Tief hing ihm die Baseballkappe der Hooters in die Stirn. In Europa wäre er bestimmt mit dieser Aufmachung aufgefallen. In Babylon gehörten Leute wie er einfach zum Straßenbild, ohne dass jemand einen längeren Blick auf ihm verweilt hätte.
Burt hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Der Engel mit dem flammenden Schwert, der durch die Ungläubigen pflügte. Die Stimmen hatten es ihm geflüstert. Am mächtigsten war die Stimme des Wächters. Mit Sicherheit hätten viele ihren rechten Arm dafür gegeben, von ihm erhört zu werden. Der Wächter wollte, dass er das Übel an der Wurzel ausrottete. Die schlechten Kinder von heute waren die Philister von morgen.
Ob es warm war? Ja, konnte man sagen. Schweißperlen standen ihm ins Gesicht. Aber es ging eben nicht ohne ihn. Den Mantel. Fort die Teener, alle fort. Der Abschaum. Der er. Nicht war. Nein, immer die anderen. Zum Beispiel die Mütter, die ihre Kinder alleine zum Spielen in den Park schickten, wenn der Liebhaber an der Tür klingelte. Oder wenn ihre Konzentration auf den Teleshoppingkanal gestört wurde. Früh lernten diese Kinder Selbständigkeit, da niemand ihre Erziehung übernahm. Sie waren vorsichtiger geworden als die Kinder der letzten Generation. Die alle durch seine Schule gegangen waren. Die sie sich auf den Straßen herumtrieben. Raggedy Ann. Meine süße kleine Lumpenpuppe. Lass mich dir den Schmutz von den Wangen streichen . Nein, sie schrie nicht. Sie wich nur zurück, als
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