Baccara Collection 186
aus der Jahrhundertwende. Ursprünglich für Gas konstruiert, hatte der Lüster seit der Umrüstung auf elektrischen Strom angeblich mehr als zweitausend Glühlampen.
In der Blütezeit des Hotels war ein Angestellter ausschließlich damit beschäftigt gewesen, die Glühbirnen in sämtlichen Lampen auszuwechseln und zu reinigen, auch in dem berühmten Lüster des Stratford. Ein anderer Angestellter hatte täglich das Messinggeländer und die Pfosten an der Treppe poliert. Und die Pflicht eines dritten Mitarbeiters hatte einzig und allein darin bestanden, alle siebenundneunzig Uhren des Hotels aufzuziehen und zu stellen.
Alles Vergangenheit. Die siebenundneunzig Uhren waren nicht mehr vorhanden, und die Reinigungsarbeiten wurden von einer kleinen selbstständigen Firma durchgeführt, die den Auftrag von Charlotte Stratford erhalten hatte, weil sie konkurrenzlos günstig war.
Trotzdem war Desiree schon als kleines Mädchen von den unzähligen Geschichten über das Stratford, seiner Architektur, seiner Geschichte und seinen berühmten Gästen fasziniert gewesen. Und das galt auch heute noch.
Sie ließ den Blick durch die Halle schweifen und entdeckte die beiden Besucher, die in der Mitte der Lobby standen. Mr. Rashid hatte wie immer Recht. Beide waren Cowboys.
Zuerst fielen Desiree die weißen Hüte auf, die diese Männer wenigstens nicht auf dem Kopf behalten hatten. Sie waren Gentlemen genug, um sie innerhalb eines Gebäudes abzunehmen und in den Händen zu halten.
Die Unterschiede zwischen den beiden waren kaum zu übersehen. Der eine war ziemlich klein, der andere sehr groß.
Der kleinere, rundliche Cowboy blickte sie an. Seine Haut war faltig und wirkte wie gegerbtes Leder. Offenbar hatte er sein ganzes Leben in der freien Natur verbracht und war Wind und Wetter ausgesetzt gewesen. Desiree schätzte ihn auf dreißig bis vierzig Jahre älter als seinen Begleiter, und er machte auch einen wesentlich lebhafteren Eindruck.
Den zweiten Mann sah sie nur von der Seite. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig.
Desiree betrachtete ihn nicht vom Scheitel bis zur Sohle, sondern begann bei den Cowboystiefeln. Ihr Blick glitt über die ausgewaschene Bluejeans, seine Lederjacke im Westernlook und sein weißes Hemd. Genau wie sein Begleiter hatte er anstelle einer Krawatte die für den Westen typische Schleife umgebunden, und an seiner Schleife glänzte ein Goldnugget.
Es waren jedoch nicht die Schleife dieses Mannes, die makellos geputzten Cowboystiefel oder der schneeweiße Hut, die Desiree faszinierten. Sie konnte selbst nicht einmal genau sagen, was es war. Er stand ganz ruhig da, bewegte sich nicht, musterte jedoch den Eingang, das Pult der Anmeldung und die Freitreppe. Es kam ihr fast so vor, als würde er die gesamte Halle auf einen Blick erfassen. Ja, es schien geradezu, als könnte er auch sehen, was hinter ihm vor sich ging.
Er wusste, dass sie ihn beobachtete. Sie fühlte es ganz deutlich. Ein feiner Schauer lief ihr über den Rücken. Sie holte tief Atem, um sich zu wappnen, und stieß ihn langsam wieder aus. Jetzt wusste sie, wieso ihr Manager den Besucher beeindruckend fand. Der Mann war nicht nur beeindruckend, sondern auch einschüchternd und sogar gefährlich. Er strahlte förmlich Gefahr aus, sehr verhalten und kontrolliert zwar, aber eindeutig Gefahr.
Desiree zweifelte nicht daran, dass dieser Mann jederzeit und in jeder Situation auf sich aufpassen konnte. Er kannte seine Feinde und seine Freunde und behandelte alle Menschen gleichermaßen misstrauisch. Sie hätte gern gewusst, wo dieser Mathis Hazard schon überall gewesen war, und was er alles getan hatte.
Mr. Hazard war noch aus einem anderen Grund gefährlich, wie Desiree sich eingestand. Mit diesen breiten Schultern, den muskulösen Armen, der mächtigen Brust, der schmalen Taille und den kräftigen Beinen war er für Frauen gefährlich.
Nicht einmal sie selbst war gegen ihn immun, obwohl sie sich nie zuvor für solche maskulinen Männer interessiert hatte. Sie schätzte vielmehr belesene, geistreiche und gesellschaftlich angesehene Begleiter, die mit ihr ins Konzert und ins Theater, zu Galerieeröffnungen und Wohltätigkeitsveranstaltungen gingen.
Trotzdem entging ihr nicht, dass Mathis Hazards dunkelbraunes Haar sehr dicht und eine Spur zu lang war. Außerdem kräuselte es sich leicht im Nacken. Er hatte eine hohe Stirn. Die Nase wirkte geradezu aristokratisch, doch ein Höcker deutete darauf hin, dass sie schon einmal gebrochen war. Der Mund
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