Baccara Exklusiv Band 04
presste seine Nase an die Scheibe wie ein Kind vor einem Spielzeugladen.
"Ungefähr vierundzwanzig Stunden. Manchmal auch etwas länger."
Er stieß einen leisen Pfiff aus. "Das ist lange. Hast du vor, den ganzen Prozess zu beobachten?"
Sie nickte. "Ich muss auf jeden Fall dabei sein, falls eins der Küken Schwierigkeiten hat. Manchmal brauchen sie Hilfe. Aber du musst ja nicht hier bleiben", fügte sie hinzu.
"Ich möchte es um nichts auf der Welt verpassen."
Und so warteten sie den ganzen langen Nachmittag und Abend hindurch und legten nur ab und zu eine Pause ein, um in aller Eile ein Sandwich zu verzehren. Mike schleppte den Tisch, den er herrichten wollte, in die Scheune, damit er arbeiten konnte, während er ihr Gesellschaft leistete. Und obwohl sie so viele Stunden zusammen waren, ging ihnen nie der Gesprächsstoff aus.
Nach und nach und sehr mühsam, wie es schien, vergrößerte das Küken mit seinem Schnabel das Loch, bis ein dünner Riss durch die Schale lief.
Gegen Mitternacht fiel Karen plötzlich ein, warum Mike ursprünglich mit ihr in die Scheune gekommen war. "Hast du nicht gesagt, es gäbe da etwas, worüber du mit mir sprechen willst?"
"Ja, richtig. Das hätte ich fast vergessen." Beiläufig fuhr er dann fort: "Ich habe beschlossen, die Red Canyon vom Markt zu nehmen."
Wenn es überhaupt etwas gab, was sie von ihrer Nachtwache hätte ablenken können, dann waren es diese Worte. Sie fuhr herum und starrte ihn an. "Ist das dein Ernst?"
Er tat, als sei nichts geschehen, aber um seine Mundwinkel lag ein breites Lächeln. "Natürlich ist es mein Ernst. Ich habe es mit Jeff, meinem Partner, durchgesprochen, und er fand, diese Ranch könnte eine sehr ertragreiche Investition sein, nachdem jetzt endlich Bargeld hereinkommt."
"Das habe ich dir schon von Anfang an gesagt."
"Und du hattest Recht. Deshalb werde ich die Ranch auch behalten, solange sich die Sache weiterhin so gut entwickelt und begründete Aussicht auf Rentabilität besteht."
Und wenn du für deine Entscheidung noch so viele geschäftsmäßige, logische Argumente vorbringst, Mike Shaner, dachte sie im Stillen, für mich läuft das Ganze nur auf eins heraus: Du fühlst dich endlich der Red Canyon verpflichtet. Ob er überhaupt wusste, wie glücklich er sie mit seiner Entscheidung machte?
"Oh, Mike, danke!" Obwohl sie sich danach sehnte, ihn an sich zu drücken und zu küssen, bis er alles um sich herum vergaß, würde sie den Fehler nicht wiederholen. Diesmal würde ihre Dankbarkeit nicht außer Kontrolle geraten. So fasste sie ihn nur um die Taille und zog ihn flüchtig an sich.
Sicher nur ganz freundschaftlich legte er ihr den Arm um die Schultern. Sie aber kämpfte um ihre Selbstbeherrschung, als sie sofort wieder heftiges Verlangen nach ihm bekam, und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Wunder zu konzentrieren, das sich vor ihnen in der Brutmaschine vollzog.
"Woher wissen sie eigentlich, wann es Zeit zum Ausschlüpfen ist?" fragte Mike gegen drei Uhr morgens, als Karen aus kurzem Schlummer erwachte. Seine Stimme klang fast ehrfürchtig.
"Ich schätze, irgendwann kommt der Punkt, wo es ihnen in der Schale zu eng wird", murmelte sie schläfrig.
Kurz vor Mittag, nach einer Zeitspanne, die ihnen wie eine Ewigkeit erschien, war es dem Küken dann gelungen, sich freizupicken. Danach blieb es ruhig sitzen, während sein braun gestreiftes Federkleid in der warmen Brutmaschine trocknete.
Karen hatte schon viele Küken beim Schlüpfen beobachtet, aber noch nie hatte sie der Anblick des zerbrechlichen kleinen Geschöpfs so berührt wie dieses Mal. Sie spürte einen dicken Kloß im Hals.
"Was tun wir jetzt?" fragte Mike sie leise. Er hatte locker die Arme um sie gelegt und ließ nun gedankenverloren seine Fingerspitzen an ihren Rippen hinaufund hinuntergleiten, wobei er leicht ihre Brüste streifte.
"Wir lassen das Küken eine Weile hier, dann bringen wir es in den Brutkasten und versuchen, es am Leben zu erhalten. Viele kommen nämlich nicht durch."
"Ich bin überzeugt, dieser Knabe hier schafft es", beschwichtigte er sie. "Für mich sieht er nach einem starken, robusten Hahn aus."
"Ich nehme an, du wirst ihm auch einen Namen geben, nicht wahr?"
"Aber sicher. Ich schlage dir vor, wir nennen ihn Clem. Was meinst du dazu?"
"Das ist eine wundervolle Idee", sagte sie. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Je mehr sie versuchte, den Kloß hinunterzuschlucken, desto größer wurde er, und es gelang ihr auch nicht,
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