BACCARA EXKLUSIV Band 61
ankommt.“
Michael nickte zustimmend. „Das gilt wohl auch dafür, dass du Alisa zu dir nimmst, oder?“
„Ja“, bestätigte Dylan und dachte, dass bei Alisa mehr auf dem Spiel stand als bei diesem Biotechnik-Projekt. Er ahnte, dass dies seine letzte Chance bei ihr war.
„Ich möchte nicht in deiner Haut stecken. Was meinst du, wie die Sache am Ende ausgeht? Glaubst du, dass sie dir ewig dankbar dafür sein wird, dass du dich während ihrer Amnesie um sie gekümmert hast?“
„Ewige Dankbarkeit wäre schon ein Fortschritt zu ihrer ewigen Verachtung“, erwiderte Dylan und dachte daran, wie Alisa ihn in den vergangenen Jahren mit Ignoranz gestraft hatte. Doch im Grunde wollte er mehr, mehr als er sich selbst eingestand, geschweige denn seinen Freunden gegenüber. „Ich war mir noch nie so sicher, etwas tun zu müssen, wie bei dieser Sache. Vielleicht hasst sie mich später dafür, aber jetzt braucht sie mich.“
1. KAPITEL
War sie gesprächig oder still?
Flirtete sie gern mit Männern?
Oder war sie prüde?
Sie betrachtete sich im Spiegel, um sich erneut mit ihrem Gesicht vertraut zu machen, und in der Hoffnung auf ein plötzliches Wiedererkennen. Grüne Augen, glattes, schulterlanges blondes Haar, helle Haut, mit Ausnahme der vielfarbigen Prellungen auf ihrer Stirn. Ein paar Haarbüschel standen ihr vom Kopf ab, überall dort, wo der Chirurg die Wunden genäht hatte.
Man hatte ihr gesagt, ihr Name sei Alisa Jennings, und sie wusste, dass sie gut genug Französisch sprach, um als Dolmetscherin zu arbeiten. An einem besonders trostlosen Tag hatte man ihr Papier und Farben ins Krankenhaus gebracht, und so hatte sie herausgefunden, dass sie auch ein wenig Talent zum Malen besaß.
Sie wusste außerdem, dass sie sechsundzwanzig Jahre alt und einen Meter siebzig groß war. Was sie über sich nicht wusste, würde hingegen ein Buch füllen. Eine Tatsache, über die sie am liebsten laut geschrien hätte. Und wirklich hatte sie das auch während der letzten Sitzung mit dem Psychiater des Krankenhauses getan. Der Psychiater war dabei so ruhig geblieben, dass sie wiederum den Wunsch verspürt hatte, ein Essenstablett an die Wand zu werfen.
Momentan mochte sie zwar nicht allzu viel wissen, doch ahnte sie, dass eine Kraft darin lag, sich selbst zu kennen, seine Geschichte, seine Schwächen und Stärken. Sie besaß diese Kraft nicht, und das machte sie wütend.
Wer war sie? War sie eine böse, selbstsüchtige Frau? Sie nahm an, dass sie nicht durch und durch böse sein konnte, angesichts der Umstände, die sie in diese Lage gebracht hatten: Sie hatte einem kleinen Hund das Leben retten wollen.
War sie also ein Trottel? Das wäre noch schlimmer, als böse zu sein, dachte sie.
Sie wollte Antworten auf all ihre Fragen, und zwar sofort, doch ihr Gehirn weigerte sich, sosehr sie sich auch bemühte.
Frustriert verdrehte sie die Augen, streckte sich selbst die Zunge heraus und stöhnte laut.
„Hast du dir wehgetan?“, fragte eine männliche Stimme aus dem Nebenzimmer.
Alisa wusste sofort, wer es war. Auch wenn sie sich nicht an die jahrelange Freundschaft zwischen ihnen erinnern konnte, von der Dylan ihr erzählt hatte, kannte sie doch seine Stimme, weil er sie jeden Tag im Krankenhaus besucht hatte.
Sie ging aus dem Bad. „Noch nicht. Aber ich war schon drauf und dran, meinen Kopf gegen den Spiegel zu knallen. Vielleicht hätte sich dadurch etwas in meinem Gedächtnis gelöst.“
Bei der Vorstellung verzog er das Gesicht. „Ich finde, du hast bereits genug auf den Kopf bekommen.“ Er trat vor sie hin und strich ihr behutsam über den Bluterguss an der Stirn.
Sie hielt still und sah ihn aufmerksam an. Er war mindestens zwölf Zentimeter größer als sie, hatte breite Schultern und einen durchtrainierten Körper. Sein braunes Haar war mit sonnengebleichten Strähnen durchzogen, was darauf schließen ließ, dass er viel Zeit im Freien verbrachte. Seine lässige, charmante und humorvolle Art zog die Aufmerksamkeit aller weiblichen Krankenhausangestellten auf sich, doch seine ernst blickenden braunen Augen straften sein sorgloses Lächeln Lügen.
Kurz gesagt, ihr langjähriger Freund war ein sehr attraktiver Mann, und Alisa wunderte sich, wie sie es all die Jahre bloß geschafft hatte, sich nicht in ihn zu verlieben. Vielleicht würde sie ihn ja eines Tages danach fragen und alles auf ihren Gedächtnisverlust schieben. So wäre meine gegenwärtige Lage auch zu etwas nütze, dachte sie mit einem Anflug von
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