BACCARA EXKLUSIV Band 61
hingehen.
Ich muss mich beeilen, denn gleich holt Dylan mich ab, dachte Alisa, während sie am Donnerstagnachmittag den Kleiderschrank in ihrem Apartment durchsah. Ihre Gedanken kreisten unablässig um Dylan. Er war ihr wichtig, daran bestand kein Zweifel. Sie verstand es nicht und besaß auch noch nicht sämtliche Fakten, aber sie hatte viele Gefühle und Eingebungen. Sie hatte auch keine Ahnung, weshalb es ihr so wichtig war, dass er mit seinen Halbgeschwistern in Kontakt trat. Man hätte argumentieren können, dass es sie nichts anginge, aber sie hatte nun einmal dieses Bedürfnis, ihm zu helfen. Und inzwischen hatte sie herausgefunden, dass man sich bei fehlenden Erinnerung und Tatsachen auf den Instinkt verlassen musste.
Außerdem hatte sie herausgefunden, zumindest teilweise, warum Dylan sie immer wieder reizte. Mit Ausnahme des einen Males, wo er sie geküsst hatte, betrachtete er sie als kleines Mädchen, das er beschützen wollte. Und obwohl sie seine Absicht zu schätzen wusste, gefiel es ihr ganz und gar nicht, noch immer das kleine Mädchen zu sein, das ihm hinterhergelaufen war. Dieses Bild passte absolut nicht zu ihr. Auch wenn sie momentan keinen Zugang mehr zur Vergangenheit hatte, war sie davon überzeugt, vor ihrem Unfall eine starke Persönlichkeit gewesen zu sein. Und wenn sie nicht so stark gewesen war, wie sie es gern gewesen wäre, würde sie verdammt noch mal jetzt damit anfangen.
Sie fand drei schwarze Cocktailkleider und legte sie aufs Bett, um eine Wahl zu treffen. Keines von ihnen gefiel ihr. Sie ging zum Schrank zurück, schob erneut die Kleiderbügel zur Seite und entdeckte ein Kleid in einer Plastikhülle, an dem noch das Preisschild hing. Sie entfernte die Plastikhülle und betrachtete das Kleidungsstück genauer. Vermutlich war es ein spontaner Kauf gewesen, und sie hatte überlegt, es umzutauschen.
Es war ein eng anliegendes, oberhalb der Knie endendes Trägerkleid in klassischem Weiß. Auf den ersten Blick nichts Aufregendes, bis man die beiden horizontalen Schlitze über der Brust entdeckte, die offenbar dazu gedacht waren, Haut und Dekolleté zu zeigen. Dieses Kleid zu tragen erforderte Mut. Es war kein Kleid für kleine Mädchen.
Sie betrachtete ihre Auswahlmöglichkeiten und dachte daran, dass ihr Dilemma bei der Wahl des Kleides ihr Dilemma mit Dylan widerspiegelte. Eine prüde Frau würde eines der schwarzen Kleider wählen. Das würde bedeuten, dass sie sich Dylan als unschuldiges kleines Mädchen präsentierte.
Alisa nahm das weiße Kleid.
4. KAPITEL
Das war eine schlechte Idee, sagte Dylan sich zum wiederholten Male, als er unten in der Eingangshalle auf Alisa wartete. Er hatte das Gefühl, dass sie daran glaubte, alles könnte zwischen ihm und seiner Familie gut werden. Aber da stand ihr ein böses Erwachen bevor. Er hätte ihre Herausforderung gar nicht annehmen sollen.
Er schüttelte den Kopf. Egal, es würde ohnehin kein langer Abend. Klappernde Schritte auf der Treppe verrieten ihm, dass sie kam. „Wir bleiben höchstens eine Viertelstunde!“, rief er. „Die meisten Vorstandsmitglieder ziehen nämlich eine ruhige Unterhaltung bei einem Glas Wein vor.“ Er drehte sich zur Treppe um. „Also, rechne nicht damit …“
Er verstummte, als er sie sah. Er wusste nicht, was er erwartet hatte – das jedenfalls nicht. Das Haar hatte sie zu einem schlichten Knoten hochgesteckt, und sie trug nur sehr wenig Make-up, gerade genug, um seine Aufmerksamkeit auf ihren Mund und ihre Augen zu lenken. Von ihren Ohrläppchen baumelten Perlenohrringe. Sein Blick glitt tiefer. In Gegenwart einer Frau war er noch nie sprachlos gewesen, aber jetzt fehlten ihm die Worte.
„Womit soll ich nicht rechnen?“, fragte sie.
Er rückte seine Krawatte zurecht. „Mit zu viel Trubel und Partystimmung.“
Sie schwieg einen Moment, ehe sie mit einem belustigten Lächeln entgegnete: „Es gibt andere Möglichkeiten, sich zu amüsieren.“ Damit stolzierte sie an ihm vorbei und ging zur Tür.
Er folgte ihr, die Gedanken voller erotischer Möglichkeiten. Dies würde vielleicht doch noch ein langer Abend.
Nach der Fahrt in die Stadt stiegen Dylan und Alisa die Stufen zum St. Albans Fine Arts Museum hinauf, wo die Cocktailparty stattfand. Sie traten durch schwere Holztüren und nahmen den Fahrstuhl in den dritten Stock. Dylan konnte den Blick nicht von Alisa abwenden. Sie beobachtete alles um sich herum interessiert und schien nicht im Geringsten zu ahnen, dass er sich in den letzten
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