BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
noch mehr.
„Keine Ahnung. Von irgend so einem alter Knacker, der vor Kurzem das Zeitliche gesegnet hat. Ich hatte nie zuvor von ihm gehört, habe ihn nie gekannt. Vor ein paar Wochen erhielt ich die Nachricht, dass ich geerbt habe.“
Sie zog die Beine an und legte die Ellbogen auf die Knie. Die Art, wie sie sich bewegte, erinnerte ihn an etwas, das er einmal in Afrika gesehen hatte. Er und ein Kollege waren durch die Steppe nach Norden Richtung Sahara gerast, als sie auf eine Giraffenherde stießen. Die Tiere entdeckten ihren Landrover zum selben Zeitpunkt wie sie die Tiere. Der andere Agent hatte lachend bemerkt, wie hässlich er diese Wesen mit ihren endlos langen Gliedmaßen fände.
Ihm selbst war der Anblick sehr nahegegangen, hatte ihn fast zu Tränen gerührt. Selbst jetzt noch war es ihm peinlich, daran zu denken, wie er auf eine Herde galoppierender Steppentiere reagiert hatte. Niemals hatte er jemandem davon erzählt.
„Umso besser“, rief sie und strahlte ihn an. Ihr Lächeln war so ausdrucksvoll, so aufrichtig und unschuldig. Es entwaffnete ihn immer wieder. „Dass Sie ihn nicht gekannt haben, meine ich. Das macht seinen Tod nicht so traurig für Sie. Wer war er?“
Er zuckte die Achseln, was diesmal gar nicht wehtat. Er machte Fortschritte. „Wer weiß? Irgendjemand, der um viele Ecken mit mir verwandt war. Ich wusste bis jetzt gar nicht, dass ich überhaupt noch Verwandte hatte.“
Er hätte nicht sagen können, ob seine Gefühle positiv oder negativ gewesen waren, als er erfuhr, dass irgendwo auf der Welt vielleicht ein paar Cousins und Cousinen oder Neffen und Nichten waren, die mit ihm das eine oder andere Gen gemeinsam hatten. Nach allem, was er bisher erlebt hatte, war eine Familie etwas, worauf man gut verzichten konnte.
Das hatte er auch die meiste Zeit seines Lebens. Seine Eltern hatten sich immer nur gestritten und sich, als er zwölf war, scheiden lassen. Er erinnerte noch gut, wie er nachts wach gelegen und durch die Wand gehört hatte, dass sie sich darüber stritten, wer das Sorgerecht für ihn übernehmen solle. Keiner von ihnen hatte ihn haben wollen. Also hatten sie ihn einem Onkel aufgehalst, der ihn genauso wenig haben wollte.
Die folgenden Jahre sollten unvergesslich werden, aber nicht im positiven Sinn. Von seinem Onkel war er zwei Jahre später weggelaufen. Nicht dass ihn irgendjemand gesucht hätte. Wahrscheinlich hatte sein Onkel nicht einmal eine Vermisstenanzeige aufgegeben. So war er auf sich allein gestellt gewesen, hatte es aber geschafft, nicht im Gefängnis zu enden. Nicht weil er immer so gesetzestreu gewesen war, sondern schlau genug, sich nicht erwischen zu lassen.
Irgendwie war es ihm dann gelungen, sich eine Ausbildung zu verschaffen, die es ihm ermöglichte, in den Polizeidienst zu treten. Er hatte sich hochgearbeitet und war nun Mitglied einer sehr kleinen, sehr straff geführten, sehr geheimen, direkt der Regierung unterstehenden Elitetruppe. Und dort hatte er sich den Ruf erworben, besonders effizient zu arbeiten. Vielleicht ein wenig zu effizient.
Jedenfalls schien jemand dieser Meinung zu sein.
Jasmine hatte begonnen, über Bücher zur reden, und er hörte auf, über seine Vergangenheit nachzudenken und hörte zu, wie sie von Romanen erzählte, die sie gelesen, von Filmen, die sie gesehen, und von Rollen, die sie gespielt hatte. Gerade so, als säßen sie in einem gemütlichen Wohnzimmer auf der Couch und nicht mitten in einem Sumpf, im Februar, mit Regenwolken am Himmel und nur einem winzigen Einmannzelt.
Während er ihrer sexy rauen Stimme lauschte, nahmen seine Gedanken eine bestimmte Richtung. Jasmines Haut wirkte wie Seide, glatt und fein, und war ziemlich hell, zumindest dort, wo sie keinen Ausschlag hatte. Und wahrscheinlich war sie noch heller, wo Jasmine jetzt mehrere Schichten Kleidungsstücke von ihm trug. Sie würden später nach ihr duften, wenn sie schon längst weg war.
Jeden Morgen wusch sie sich am Fluss. Er hatte gedacht, ein Stück Seife würde ihm genügen, da er nicht vorgehabt hatte, täglich ein Vollbad zu nehmen, aber er tat es ihr inzwischen gleich, was nicht gerade einfach für ihn war, weil er bei jeder Bewegung fürchtete, erneut für eine Woche fast gelähmt zu sein und dieses verflixte Korsett noch länger tragen zu müssen.
Er war hierhergekommen, um körperlich wieder in Form zu kommen – und um Antworten auf gewissen Fragen zu finden. Antworten, die sehr wichtig waren. Er wusste, er verfügte über alle
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