BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
notwendigen Informationen. Es ging also eigentlich nur darum, die vorhandenen Puzzleteile richtig zusammenzufügen. Alles, was er brauchte, war Zeit und Ruhe, um sich zu konzentrieren.
Bevor er Langley verlassen hatte, hatte er seine sämtlichen Notizen gelöscht. Auf der Festplatte seines Computers war nichts, was irgendjemandem von Nutzen sein könnte. Ihm war klar gewesen, man würde danach suchen, und es gab kein hundertprozentig sicheres Verschlüsselungssystem.
„Haben Sie vielleicht so etwas wie eine Nadel?“
Er brauchte fast zehn Sekunden, um auf diese Frage zu reagieren. „Eine Nadel?“
Sie hielt ihre rechte Hand hoch. „Ich muss beim Feuermachen einen Splitter erwischt haben, und mit den Zähnen kann ich ihn mir nicht herausziehen.“
„Ich habe eine Schere, die man auch als Pinzette verwenden kann. Zeigen Sie mal her.“
Es war schon fast zu dunkel, um noch etwas zu erkennen, deshalb kniete sie sich vor ihn und hielt ihm die Hand direkt vors Gesicht. Sie roch nach Seife und ein bisschen nach Chili. Was für ein Aphrodisiakum, dachte er.
Schließlich nahm er sein Messer zu Hilfe. Seine kleine Schere befand sich in dem Metallkoffer, der streng privat und verschlossen war. Das Messer taugte als chirurgisches Instrument mindestens ebenso, zumindest nachdem er es mit dem Feuerzeug sterilisiert hatte.
Er konnte nicht anders, als sie das Gesicht verzog, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen, musste er insgeheim lächeln. So ein Getue wegen eines Splitters, der nicht einmal halb so lang war wie eine Wimper.
„Na, so schlimm war es doch nicht, oder?“
„Ist er draußen?“
„Und ob. Es bleibt bestimmt keine Narbe zurück.“
Sie lachte erleichtert, biss sich dann jedoch verlegen auf die Unterlippe. Aus einem ihm unerklärlichen Impuls heraus nahm er ihre Hand, küsste die wunde Stelle und schloss danach ihre Finger darum.
„Meine Mutter hat das auch immer gemacht“, flüsterte sie versonnen, und ihre Stimme erschien ihm noch rauer, noch sexier als sonst.
„Ja, so machen Mütter das.“ Er konnte sich allerdings nicht erinnern, dass seine Mutter ihn jemals geküsst hätte. Wenn er von einer Rauferei in der Schule Verletzungen davongetragen hatte, hatte sie entweder geschimpft oder es völlig ignoriert.
Sie hatte getrunken, genau wie sein Vater. Deshalb ließ er die Finger vom Alkohol, abgesehen von ein oder zwei Flaschen Bier natürlich, aber das war die absolute Grenze. Er mochte es, sich Grenzen zu setzen, sich zu testen. Er gewann immer.
Noch Minuten danach glaubte Jasmine die kurze, zärtliche Berührung von Lyons Lippen auf ihrer Hand zu spüren. Erstaunlich, wie sehr diese kleine Geste sie beeindruckte. Sie hatte sich dabei fast wie nach einer schwindelerregenden Fahrt mit der Achterbahn gefühlt, oder wie damals, als sie zum allerersten Mal das Meer gesehen hatte.
Ein kleiner Kuss auf die Hand. Es hatte sich nach so viel mehr angefühlt. Es war ein Gefühl gewesen … viel stärker als alles, was sie bisher erlebt hatte, noch stärker als das erste Mal, als sie mit einem Mann geschlafen hatte.
„Bilde ich mir das nur ein, oder ist die Luft wirklich feuchter geworden?“, fragte sie.
„Ich denke, Sie täuschen sich“, erwiderte er. „Sind Sie sicher, dass Sie keine antibiotische Salbe benutzen wollen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Morgen kann ich wahrscheinlich sowieso von hier verschwinden. Sie kommen doch jetzt allein zurecht, oder?“
Ein Teil von ihr – der pflichtbewusste, gewissenhafte Teil – wünschte sich, er möge ja sagen. Aber ein anderer Teil von ihr wünschte das Gegenteil.
Und genau deshalb musste sie von hier verschwinden.
Jasmine glaubte zu träumen. Sie hörte Regen aufs Dach trommeln und auf die Straße vor dem Haus, wo sie mit ihrer Mutter wohnte.
Eine Stimme murmelte an ihrem Ohr.
„Was ist?“, hauchte sie schläfrig.
„Psst, schlafen Sie ruhig weiter. Ich bin es nur.“
Lyon!
Er war in ihrem Bett?
Aber, nein. Sie war in seinem Schlafsack, einem Doppelschlafsack, weil er beim Schlafen viel Platz brauche, wie er ihr erklärt hatte. Und jetzt war er mit ihr zusammen darin.
Jetzt brauchte er offenbar nicht viel Platz. Er lag zusammengerollt an ihren Rücken geschmiegt, hatte ein Bein angezogen und halb zwischen ihre geschoben. Ein Arm lag um ihre Taille. Und die ganze Zeit trommelten die Regentropfen auf die dünne Zeltleinwand.
6. KAPITEL
Jasmine lauschte dem Regen. Die feucht-schwüle Luft roch nach Erde, Seife und noch etwas, das
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