BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
anzusehen, begriff sie. Seine hellblauen Augen funkelten vor Leidenschaft. Er atmete tief durch.
„Du liebe Zeit“, sagte er leise. „Du hast meine volle Aufmerksamkeit.“
„Ich sollte besser gehen“, flüsterte sie ihm zu.
Widerstrebend trat Ethan einen Schritt zurück, und Lucy eilte davon. Dabei hoffte sie, dass ihre Beine nicht nachgaben, bis sie außer Sicht war. Doch schon nach wenigen Metern rief Ethan ihren Namen. Sie drehte sich zögernd um, weil sie wusste, dass ihr Gesicht rot war wie eine Tomate.
„Den Schlüssel.“ Er deutete auf den Waffenschrank.
Lucy nickte. „Wie dumm von mir.“
Sie ging mit unsicheren Schritten zurück und verschwand in Toms Büro, wo sie den Schlüssel aus der Schreibtischschublade nahm. Die ganze Zeit ließ Ethan sie nicht aus den Augen. Nachdem er den Schrank abgeschlossen hatte, gab er ihr den Schlüssel zurück.
„Der Schlüssel sollte ebenfalls weggeschlossen werden.“
„Okay.“ Sie legte ihn in die Schublade zurück, noch immer mit einem kleinen, törichten Lächeln auf den Lippen. „Bis dann“, murmelte sie benommen und entfloh die Treppe hinauf.
6. KAPITEL
Lucy verließ die Menge, die aus der Gondel stieg, und suchte sich einen ruhigen Aussichtspunkt. Der Blick war vielleicht nicht besonders spektakulär, aber mit Summerhill konnte es ohnehin keine Landschaft aufnehmen. Sie kramte in ihrer Tasche nach Münzen für das Fernrohr.
Die arme Juliette hatte seit ihrer Ankunft kaum ihr Hotelzimmer verlassen, weil sie eine Magenverstimmung hatte. Dabei hatten sie am ersten Tag solchen Spaß gehabt, als sie über den Aorangi flogen, und dann in Queenstown mit dem Jet-Boot auf dem See herumfuhren und anschließend nett zu Abend aßen. Das Frühstück hatte Juliette ausfallen lassen, und von da an ging es bergab, und Lucy war sich selbst überlassen.
Eine lärmende Familie mit drei kleinen Kindern kam auf die Aussichtsplattform. Lucy nahm die Stadt ins Visier und hatte schnell ihr Hotel gefunden, das größte in Queenstown, direkt an der Uferpromenade. Ihr Zimmer im vierten Stock ging auf einen Parkplatz hinaus. Juliette hatte die Präsidentensuite im neunten Stock mit einem herrlichen Balkon.
Und da war sie! Lucy freute sich diebisch. Juliette stand in dem sexy Morgenmantel, den sie schon am Vorabend so bewundert hatte, auf ihrem Balkon.
In dem Moment wurde Lucy vom jüngsten Kind der Familie abgelenkt, das sie voller Ungeduld anschaute. Als sie sich wieder auf Juliette konzentrierte, sah sie, dass die nicht allein war. Sie konnte ihr Gesicht nicht genau erkennen, aber Juliette schien mit jemandem im Zimmer zu reden.
Dann kam ein schokoladenbrauner Haarschopf in ihr Blickfeld, und Lucy wurde fast übel. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihr, doch diese hochgewachsene Gestalt mit den breiten Schultern würde sie überall erkennen. Er trug kein Sakko und hatte die Ärmel seines Hemdes aufgekrempelt.
Lucy wich zurück. Ihr schossen unzählige Fragen durch den Kopf.
„Mum, ich möchte durchsehen!“, rief der kleine Junge. Lucy ignorierte ihn und trat erneut ans Fernrohr.
Ethan und Juliette.
Ethan am helllichten Tag in Queenstown, Hunderte von Kilometern von dem Ort entfernt, an dem er sein sollte. Angeblich war Juliette krank und hatte darauf bestanden, dass Lucy das geplante Programm absolvierte.
Und Juliette in diesem Morgenmantel.
Plötzlich wirbelte Juliette herum und eilte zur Balkontür. Ethan packte sie am Arm. Einen Moment verharrten sie reglos, und wieder konnte Lucy durch das Fernrohr nicht genau sehen, welche Emotionen sich auf Juliettes Gesicht spiegelten. Aber eines war ihr sonnenklar. Diese beiden verband sehr viel mehr, als sie zu erkennen gaben.
Der kleine Junge seufzte laut, und Lucy warf ihm einen finsteren Blick zu.
Drüben auf dem Balkon hatte Juliette sich losgerissen und verschwand in ihrer Suite. Ethan zögerte kurz und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann ging auch er hinein und schloss die Glastür hinter sich. Das spiegelnde Glas verhinderte, dass Lucy ins Zimmer spähen konnte.
Sie hob den Kopf und starrte über das Teleskop hinweg ins Leere. Tausend Fragen stürzten auf sie ein, bis ein höfliches Hüsteln hinter ihr ihre Aufmerksamkeit erregte. Die ganze Familie stand da und wartete, dass sie Platz machte.
Eine Entschuldigung murmelnd verließ sie die Aussichtsplattform.
Auf dem Rückweg suchte sie nach einer plausiblen Erklärung. Nein, die beiden waren keine Ehebrecher. Sie weigerte sich zu glauben, dass sie
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