Baccara Exklusiv Band 98 - Ebook
vorgeschoben, den Blick fest auf sie gerichtet, flößte er ihr Angst ein. Sie hatte keinen Zweifel, dass er seine Drohung wahr machen würde. Das alleinige Sorgerecht zu bekommen hatte Nick zwar keine Chance, nach allem, was sie von Familiengerichten wusste. Dass man sie hingegen zwingen konnte, das Sorgerecht mit Nick zu teilen, war durchaus möglich.
Was das bedeutete, hatte sie bei einigen ihrer Freunde gesehen, die geschieden waren. Die Kinder waren zwischen den Eltern hin- und hergerissen. Es gab traurige Gesichter, wenn man am Freitagnachmittag voneinander Abschied nehmen musste. Ferien und Weihnachten verbrachten die Kinder mal mit dem einen, mal mit dem anderen, aber nie waren alle zusammen. Lilly krampfte sich das Herz zusammen bei dieser Vorstellung.
Dann war da noch das andere Argument von Nick. Das Kind würde unehelich aufwachsen. Sie hatte zwar kühn behauptet, dass das heutzutage keine Rolle mehr spielte. Doch im Grunde wusste sie, dass Nick recht hatte. Sicherlich würden Freunde da sein, die sie unterstützten. Aber es würde auch andere geben, die sich von ihr abwandten. Eines Tages würde ihr Sohn oder ihre Tochter zur Schule gehen – Kinder konnten verdammt grausam sein. Columbine Crossing war eine Kleinstadt, wie Nick gesagt hatte. Und so viel hatte sich seit der Zeit, in der er das alles selbst hatte durchmachen müssen, nicht geändert.
Andererseits: Nick zu heiraten würde sie weit zurückwerfen. Mit Mühe und Not hatte sie sich von Aaron befreien können und hatte gerade erst ihr Selbstbewusstsein zurückgewonnen. Lilly drehte sich alles im Kopf. Die Gedanken, die auf sie einstürmten, Nicks bedrohliche Nähe, die Ausweglosigkeit ihrer Situation – es war einfach zu viel für sie.
„Lilly?“
Seine Stimme klang merkwürdig hohl und schien aus ganz weiter Ferne zu kommen.
„Lilly! Was ist los? Rede, sag etwas!“
Ein Schwindelgefühl ergriff sie. Die Knie gaben unter ihr nach. Lilly versuchte noch, dagegen anzukämpfen. Doch im nächsten Augenblick war ihr schon so, als fiele sie in ein tiefes schwarzes Loch. Geistesgegenwärtig fing Nick sie auf und hob sie auf seine Arme. Ihr Kopf fiel gegen seine starke Brust. Langsam kam sie wieder zu sich. Sie fühlte sich geborgen in seinen Armen. Da war wieder das Gefühl, das sie in der Nacht nach Kurts und Jessies Hochzeit hatte, diese Sicherheit, dass ihr in seiner Nähe nichts geschehen konnte.
„Es geht schon wieder“, sagte sie leise und versuchte, ihrer Benommenheit Herr zu werden.
„Ist deine Schwester im Hinterzimmer?“, fragte Nick.
„Nein, sie hat heute frei.“
„Ich bringe dich zum Arzt.“ Ohne ein weiteres Wort ging er mit ihr auf den Armen zur Ladentür, drehte das Schild um, sodass es „Geschlossen“ zeigte, und trug sie zu seinem Pick-up, der vor der Tür parkte. Lilly hatte dieses Mal nichts dagegen, dass er die Führung übernahm. Die kurze Ohnmacht machte ihr selbst Sorgen, und es war richtig, kein Risiko einzugehen. Nick setzte sie behutsam auf den Beifahrersitz und langte um sie herum, um ihr den Sicherheitsgurt anzulegen. Als dabei sein Arm ihre Brüste streifte, stöhnte sie kurz auf.
„Entschuldigung“, sagte Nick und sah sie an.
„Ist schon okay. Ich bin nur etwas empfindlich.“ Lilly errötete leicht, als sie merkte, dass sich prickelnde Wärme bei seiner Berührung in ihr ausbreitete.
Nick setzte sich neben sie ans Steuer. Sie nannte ihm die Adresse des Arztes, und er fuhr los. Auf der Fahrt ließ er sie kaum einen Moment aus den Augen. Lilly fühlte sich allmählich wieder besser. Das Schwindelgefühl war vergangen. Als sie vor dem Haus hielten, in dem der Frauenarzt seine Praxis hatte, erklärte Lilly, sie könne sich wieder auf den Beinen halten. Dennoch bestand Nick darauf, sie ins Haus zu tragen.
In der Praxis nahm eine Sprechstundenhilfe sie in Empfang und führte sie gleich in eines der Behandlungszimmer. Nick begleitete sie hinein und machte auch keine Anstalten, sich zurückzuziehen, als die Schwester begann, bei Lilly Blutdruck und Temperatur zu messen.
„So weit alles in Ordnung“, sagte die Arzthelferin, als sie fertig war, und fügte, da sie den besorgten Blick von Nick bemerkt hatte, hinzu: „Auch unser junger Daddy braucht sich keine Sorgen zu machen.“ Damit verließ sie das Zimmer.
Nick und Lilly sahen sich an. Daddy . Das Wort schwebte noch im Raum. Lilly wurde mit einem Mal klar, dass Nick mit dem, was er gesagt hatte, recht hatte. Wichtiger als alles andere, auch
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