Baccara Exklusiv Band 99
sollte sie ihm nicht trauen. Er war viel zu intelligent.
„Mr Murdock …“
„Kyle“, korrigierte er sie mutig mit leiser erotischer Stimme.
„Also Kyle“, wiederholte sie, und die Buchstaben schwirrten ihr im Kopf herum. „Es sieht so aus, als wären Sie hier gestrandet.“
„Ich werde in die Stadt laufen.“
„Das sind fast fünf Kilometer.“
„Ja, das weiß ich.“
Obwohl er es zu verbergen suchte, bemerkte sie doch, wie er innerlich vor dem Gang durch den Sturm zurückschreckte.
Eine einsame Schneeflocke schmolz auf seinem dicken dunklen Haar. Seine Lederhandschuhe waren nass und steif. Und der Mann war schließlich jetzt schon halb erfroren. Wenn ihm irgendetwas zustoßen würde, würde Meghan sich das nie verzeihen. Außerdem lud sie sich damit eine größere Schuld auf, als wenn sie ihm Gastfreundschaft gewährte, trotz eines gewissen Risikos. Immerhin hatte sie schließlich die Pistole, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, sie gegen ihn zu benutzen.
Aber das brauchte er ja nicht zu wissen.
Sie schluckte, ihr Mund war trocken. „Bitte bleiben Sie.“
Er wartete darauf, dass sie ihren Namen nannte, aber sie hielt ihn immer noch zurück, so als wäre die Anonymität ein gewisser Schutz.
„Mr Murdock … Kyle“, verbesserte sie sich. „Offensichtlich haben wir einen Blizzard. Sie können keine zwei Meter weit sehen, und Sie können von Glück sagen, wenn Sie nicht erfrieren, bevor Sie die Stadt erreichen.“ Sie sprach noch leiser. „Jefferson hat kein Hotel, und das nächste auf dem Kenosha Pass ist wahrscheinlich geschlossen.“
Meghan holte tief Luft und wartete angespannt auf seine Antwort. Obwohl sie inzwischen gern wollte, dass er blieb, tat sie so, als wäre es ihr ganz egal. Zögernd fuhr sie fort: „Sie können Ihre Jacke dort an den Haken hängen.“
Eine Weile lang schaute er sie prüfend an, die Spannung wuchs mit jeder Sekunde. Endlich nickte er zustimmend. Er hatte ihr Angebot angenommen. Die Entscheidung war gefallen. Ob es eine gute Entscheidung war, würde sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen.
Kyle begann mit lautem Klicken die Schnappverschlüsse seiner Motorradjacke zu öffnen. Dann hörte sie ihn den Reißverschluss aufziehen. In Sekunden hatte er sich von seinen schwarzen Ledersachen befreit. Er trug ein rotes Flanellhemd, das eng anlag. Der obere Knopf war geöffnet. Meghan musste unwillkürlich überlegen, wie er wohl unbekleidet aussah.
Kyle war groß, sehr muskulös, durchtrainiert und sah sehr männlich aus. Und sie war mit ihm zusammen unter einem Dach, bis der Sturm vorüber war. Das konnte zwanzig Minuten dauern, vierundzwanzig Stunden oder einige Tage.
Sie räusperte sich. „Ich hole Ihnen ein Handtuch.“ Sie ging rasch zum Küchenschrank. Irgendetwas kam ihr seltsam erregend vor. Kyle Murdock brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Sie holte tief Luft und ging entschlossen zu ihm zurück in die Küche.
„Danke.“ Er nahm das Handtuch entgegen und begann, seine Haare zu trocknen. Seine Bewegungen wirkten auf Meghan vertraut. Es kam ihr vor, als kenne sie ihn schon lange. Sie betrachtete ihn, wie er so dastand mit seinem verwuschelten Haar, von dem ihm einige Strähnen lose ins Gesicht fielen. Kyle strich die Haare zurück und bückte sich, um die Motorradstiefel auszuziehen.
Meghan begann, das Eiswasser auf dem Boden mit einem Handtuch aufzuwischen, um nicht ständig auf seine engen, feuchten schwarzen Jeans zu schauen.
„Wir könnten ein Kaminfeuer anzünden“, bemerkte Meghan mit etwas unsicherer Stimme und fügte hinzu: „Das wird Sie wieder aufwärmen.“
Er folgte ihr ins Wohnzimmer.
Meghan musste daran denken, dass außer ihrem Vater noch kein anderer Mann dieses Haus betreten hatte. Gerade, als sie nach einem passenden Holzscheit suchte, drang ihr ein kleiner Holzsplitter in die Fingerspitze. Meghan schrie leise auf.
Behutsam nahm er ihr das Scheit aus der Hand. Bevor sie noch den Splitter entfernen konnte, nahm Kyle ihre Hand. Vor Aufregung blieb ihr die Luft weg. Mit überraschender Zartheit hielt er ihre Hand, und trotz der Kälte seiner Hände verspürte Meghan, wie Wärme sie durchströmte.
Kyle hob ihre Hand, um den Splitter besser sehen zu können. Der erste Versuch, ihn zu entfernen, misslang. „Lassen Sie es mich noch einmal versuchen.“
„Tut das weh?“ Er sah auf und schaute ihr direkt in die Augen. Es schien ihm wirklich etwas auszumachen, wie sie sich fühlte.
„Nein“, flüsterte
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