Baccara Exklusiv Band 99
Kyle rief sich zur Ordnung und erinnerte sich an den Zweck seine Hierseins. Er musste unbedingt ein Hotel finden und sich auf den Weg machen, bevor der Sturm noch schlimmer wurde. „Darf ich Ihr Telefon benutzen?“
Sie zeigte auf ein kleines Tischchen aus Eichenholz. „Bitte, dort ist es.“
Die junge Frau trat zur Seite, und er nahm sich einige Zeit, um seine Motorradbrille abzunehmen. Dabei beobachtete er sie unbemerkt und genoss ihre unauffällige Schönheit.
Diese Frau strahlte eine Gelassenheit und Ruhe aus, die sie ganz ungewöhnlich anziehend machte. Sie war keine Titelblattschönheit, aber sie war etwas Besonderes. Eine ungewöhnliche Persönlichkeit, die ihn außerordentlich anzog. Das überraschte ihn. Bisher hatte er sich bevorzugt mit Frauen eines ganz anderen Typs eingelassen und auch eine fast geheiratet.
Kyle verdrängte diese aufkommenden Gedanken. Er ging zum Telefon, legte seine Handschuhe auf den Tisch und blätterte durch das Telefonbuch, um einen Abschleppdienst zu finden. Er wählte die Nummer, hörte einen einzigen Ton, dann war Stille.
„Die Leitung ist tot.“
Sie holte tief Luft und kreuzte die Arme. Ihr pinkfarbener Sweater straffte sich durch diese Geste und lag eng an ihre Brüste geschmiegt. Kyle schluckte. Es war für ihn nicht zu fassen, wie anziehend diese Frau auf ihn wirkte. Abrupt drehte er sich um, legte den Hörer zurück, um diesen aufregenden Anblick zu ignorieren.
Durch das Küchenfenster sah er den wirbelnden Schnee. Den Gedanken, wieder hinaus in die Kälte zu müssen, fand er nicht ermutigend.
Er drehte sich wieder zu ihr und sah sie an. „Vielleicht kann Ihr Mann mir helfen, meine Harley zu reparieren.“ Einige Sekunden war Schweigen zwischen ihnen. „Ich habe keinen Ehemann.“
Das durfte doch nicht wahr sein! Sie lebte hier allein und öffnete ihre Tür fremden Menschen? Das war ja unglaublich. Aber er verstand sich selbst nicht mehr. Wieso interessierte es ihn, wie eine fremde Frau sich verhielt?
„Aber ich habe eine Pistole“, erklärte sie.
Er schaute sie überrascht an.
„Ich habe sogar die Erlaubnis, sie zu benutzen.“
„Ich verstehe.“ Er lächelte sie an. Sie lächelte zögernd zurück, aber ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Er beobachtete sie interessiert. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich die Emotionen und waren offen zu lesen. Sie überlegte. Aus wachen braunen Augen schaute sie ihn an.
„Ihnen muss kalt sein“, sagte sie leise und zurückhaltend.
„Ich bin halb erfroren“, gab er zu. „Ich wollte heute noch bis zum Abend nach Conifer kommen.“
„Das können Sie auch noch. Ich werde Sie fahren. Mein Auto steht in der Garage.“ Sie hörte sich etwas atemlos an. Anscheinend war sie erleichtert, eine Lösung gefunden zu haben. Während sie noch sprach, griff sie schon nach ihrem Mantel, als Kyles Worte sie aufhielten.
„Es ist eingeschneit.“
Sie sah ihn nachdenklich an.
„Ist es in der Garage an der Hausseite?“, fragte Kyle sicherheitshalber noch einmal nach. Sie nickte.
„Ich habe es gesehen, als ich daran vorbeilief“, erklärte er.
Die junge Frau ließ die Hand sinken. Kyle nahm den Handschuh und grinste etwas unglücklich. „Ich danke jedenfalls für Ihre Hilfe.“ Er zog die kalten nassen Lederhandschuhe wieder an und ging Richtung Haustür.
„Einen Augenblick.“ Sie sprach so leise, dass er nicht sicher war, ob er sie wirklich gehört hatte.
Kyle Murdock blieb stehen und sah sie aus aufregend blauen Augen an.
Meghan wurde unsicher. Ihr Verstand und ihr Herz kämpften miteinander. Sollte sie wirklich einen Fremden mit einer Harley und schwarzen Lederklamotten in ihrem Haus übernachten lassen? Sie konnte ihn aber auch nicht wieder hinaus in das Unwetter schicken. Sie hatte gesehen, wie kalt sein Gesicht und seine Hände gewesen waren, als er ankam. Die Kälte draußen war erbarmungslos. Sie konnte ihn unmöglich gehen lassen.
„Ja, bitte?“
Der Klang seiner Stimme wirkte wie Balsam auf ihre einsame Seele. Während der letzten Tage war sie so vertieft in ihre Arbeit gewesen, dass sie noch nicht einmal gemerkt hatte, dass es zu schneien angefangen hatte. Kein Nachbar war kurz hereingekommen. Angerufen hatte sie auch niemand, nicht einmal ihre Mutter, die sie wöchentlich anrief.
Seine Stimme war tief und warm; seine Art zu sprechen, verrieten Bildung und Selbstsicherheit, trotz seines Aufzugs. Nicht jede Stimme erregte ihre Sinne so stark wie die von Kyle Murdock. Eigentlich
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