Baccara Extra Band 01
anderer Menschen. Sie wusste nie, was sie tun sollte, wenn jemand weinte.
Dora blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Vielen Dank, dass Sie an mich glauben“, schluchzte sie. „Das haben bisher nicht viele Leute getan. Ich bin nicht gerade sehr beliebt in Little Paradise.“
Erstaunt hob Holly die Brauen. „Ist man nicht automatisch beliebt, wenn man hier geboren und aufgewachsen ist? Ich dachte, nur Fremde wären Außenseiter.“
„Ich habe mich selbst schon mein ganzes Leben lang zum Außenseiter gemacht“, antwortete Dora. „Ich bin aufdringlich, aggressiv und tratsche gern über andere. Ich habe nur deshalb einen Job im Supermarkt, weil er meiner Tante gehört. Es würde nicht gut aussehen, wenn sie mich dort nicht arbeiten ließe. Aber ich wünsche mir schon seit Jahren einen Job, den ich aus eigener Kraft bekommen habe. Mir fehlten nur immer die richtigen Fähigkeiten. Und, wenn ich ehrlich sein soll, auch der Mut, mich zu bewerben.“
„Sie haben diese Lasagne doch wirklich selbst gemacht, oder?“
Dora blinzelte sie überrascht aus tränenfeuchten Augen an und lachte. „Ja, natürlich. Ich habe zugegeben, dass ich unausstehlich bin. Aber ich bin keine Lügnerin. Habe ich den Job noch?“
„Werden Sie jeden Tag weinen?“, erkundigte Holly sich vorsichtig.
Wieder musste Dora lachen. „Nein, bestimmt nicht.“
„Dann sind Sie eingestellt.“
Wenig später, als Holly wieder allein war und ihre Tiere fütterte, dachte sie über Dora nach.
Das Leben präsentierte einem doch manchmal die seltsamsten Wendungen. Nun hatte sie jemanden, der ihr half. Sie war nicht mehr allein. Aber wenn sie es genau überlegte, war sie das schon am Tag ihrer Ankunft in dieser kleinen Stadt nicht gewesen.
6. KAPITEL
Die gesamten nächsten beiden Tage verbrachte Riley damit, eine Bande von Einbrechern zu verfolgen. Die Ranch, die zuletzt heimgesucht worden war, lag weit entfernt im Norden des Countys. Zwei Tage lang war er fast überhaupt nicht in der Stadt.
Zurück in Little Paradies betrat er voller Vorfreude und ein kleines bisschen nervös das Café Nirvana. Sein Magen knurrte, und bei dem Gedanken an Speck mit Spiegelei lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Doch schon beim ersten Schritt in das Café befand er sich mitten im Chaos.
Die gelblich verfärbten, ehemals weißen Wände waren bereits zur Hälfte in einem Pastellton gestrichen, für den Riley beim besten Willen keinen Namen hatte. Auf einer Leiter an der hinteren Wand stand farbverschmiert sein Deputy Jud.
Die übliche Unordnung aus Salz- und Pfefferstreuern, Ketchupflaschen, Senfgläsern und Serviettenhaltern war vom Tresen verschwunden. Dahinter stand eine Frau und schrubbte die leere Fläche nach Leibeskräften. Das ist doch Dora, dachte Riley bei näherem Hinsehen. Was hatte die Supermarktkassiererin hier verloren?
Und in einer Ecke hockte doch tatsächlich Maria auf einem Schemel und sprach eifrig Kochrezepte in ein kleines Diktiergerät.
Riley bekam allmählich das Gefühl, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein.
Er blickte sich um und bekam noch mehr wunderliche Dinge zu sehen.
Unter einem der großen Fenster lagen Harry und der Hund auf einem alten Teppich und schliefen friedlich. Aneinandergekuschelt.
Das abgewetzte blassrote Vinyl der Sitznischen war zum Teil schon entfernt und durch einen neuen, dunkelblauen Bezug ersetzt worden. Der Mann, der den Bezug fachmännisch befestigte, war Mike. Während er Nägel einschlug, erklärte er Holly eifrig, wie gut sich seine selbst gemalten Bilder an den frisch gestrichenen Wänden machen würden. Dabei nuschelte er ein wenig, denn er hatte sich drei Nägel in den Mundwinkel gesteckt.
Holly, die ihm aufmerksam zuhörte, sah überhaupt nicht aus wie Holly. Ihr blondes, schulterlanges Haar war nicht in sonst üblicher Weise perfekt frisiert, sondern zu einem Pferdschwanz am Hinterkopf zusammengebunden. Einige Strähnen hatten sich gelöst und umspielten ihren schmalen Nacken. Sie trug ein kurzes, ärmelloses, giftgrünes T-Shirt, das ihr mindestens zwei Nummern zu weit war. Und sie hatte doch tatsächlich Jeans an. Jeans! Riley schaute noch einmal genau hin, um ganz sicher zu sein.
Bei seinem Anblick lächelte sie. Es war ein Lächeln von der Sorte, das Riley glatt aus den Socken haute. Für einen Moment vergaß er, warum er eigentlich gekommen war.
Sie legte das Klemmbrett in ihrer Hand auf einen Tisch und kam auf ihn zu. „Hallo“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der
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