Baccara Extra Band 5
Geschwister zu haben. Meine Mutter wurde bald nach meiner Geburt unheilbar krank.“
„Was hat sie denn?“
„Multiple Sklerose. Sie war Ende zwanzig, als sie krank wurde. Deshalb habe ich keine Geschwister.“
„Das kann auch Vorteile haben. Dann braucht man sich wenigstens nicht zu streiten. Darci und ich haben uns eigentlich nie besonders nahe gestanden. Dafür sind wir immer zu sehr Rivalen gewesen. Aber jetzt, wo sie verheiratet ist, verstehen wir uns besser.“
Sie waren im Hotel angekommen. Harry half Megan aus dem Taxi, und wieder spürte sie das elektrisierende Prickeln, als er sie berührte. Ihr war plötzlich ganz schwach in den Beinen, und Harry hielt sie am Arm fest, während sie durch die Hotelhalle zum Fahrstuhl gingen. „Ich glaube, ich habe ein bisschen zu viel Wein getrunken.“
„Verständlich, nach dem anstrengenden Tag.“
Sie betraten den Lift, und Harry drückte den Knopf zu ihrem Stockwerk.
Als die Tür gerade zuging, kam noch eine Frau angelaufen.
„Oh, nehmen Sie mich noch mit?“ Völlig außer Atem zwängte sie sich hinein. „Danke. Immer vergesse ich etwas, wo ich sowieso schon zu spät dran bin … Ich habe meine … Oh, meine Etage …“ Sie drückte schnell den Knopf, und der Aufzug kam zum Stehen. Kaum hatte sich die Tür geöffnet, war sie schon verschwunden.
Es war alles so schnell gegangen, dass Megan der Kopf schwirrte. Und plötzlich lag sie in Harrys Armen.
Gab es irgendetwas auf der Welt, was sich so gut anfühlte, so goldrichtig? Wenn er geahnt hätte, wie himmlisch es war, Megan im Arm zu halten, hätte er es schon vor Monaten getan.
Sie schmiegte sich an ihn, und ihr sinnlicher Mund war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt.
Den ganzen Abend schon hatte er die Augen nicht von ihren vollen Lippen wenden können. Er hatte sie beobachtet, wie sie von ihrem Wein trank, in ihre Suppe blies, ihr Hähnchen aß und sich mit geschlossenen Augen die Lippen leckte, während sie die Schokoladentorte vertilgte. Und jetzt warteten ihre Lippen darauf, von ihm geküsst zu werden.
Ihre Augen blickten ihn verträumt an. Er hatte zu viele Frauen im Arm gehalten, um die Signale nicht zu verstehen, aber er wusste auch, dass Megan anders war als die anderen Frauen. Trotzdem senkte er den Kopf.
Plötzlich ertönte ein Gong. Sie waren auf ihrer Etage angekommen.
Megan holte ihre Chipkarte aus der Tasche, und sein Blick fiel auf ihre Hand.
Sie trug keinen Verlobungsring, aber das hatte nichts zu bedeuten. Harry wusste, dass sie mit diesem älteren Mann zusammen war, und das würde er respektieren.
Auf einmal war er ernüchtert. Er war schon einmal mit einer Frau zusammen gewesen, die ihm plötzlich mitteilte, dass sie verheiratet war. Nie wieder würde er sich auf so etwas einlassen. Er hatte die Beziehung sofort abgebrochen, obwohl die Frau ihn anbettelte, bei ihr zu bleiben.
Es wäre besser, sich von Megan fernzuhalten.
„Ich muss, wie gesagt, noch ein paar E-Mails verschicken. Also gute Nacht dann. Wir sehen uns morgen früh.“
Für einen kurzen Moment sah Megan enttäuscht aus. Dann öffnete sie ihre Zimmertür.
„Ja, gute Nacht“, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
Er wartete, bis sie die Tür hinter sich zugemacht hatte, bevor er in sein Zimmer ging.
Er brauchte jetzt unbedingt eine kalte Dusche.
Megan warf ihre Aktentasche aufs Bett. Harry Sanders hätte sie beinahe geküsst! Fast war es ihr, als sei es wirklich passiert. Ihre Lippen waren nur einen Zentimeter voneinander entfernt gewesen. Warum hatte der dumme Fahrstuhl plötzlich anhalten müssen? … Sie berührte ihre Lippen. Was für eine Nacht.
Sie hatte Harry völlig falsch eingeschätzt. Es war sehr lustig gewesen mit ihm, und vielleicht könnten sie wirklich Freunde werden. Oder sogar …
Unmöglich. Sie musste sofort mit diesen Fantastereien aufhören. Harry war ihr Mentor und außerdem der Enkel ihres Chefs. Dass er ihr auch noch Unterricht in Liebe gab, war nicht vorgesehen.
Etwas Nachhilfe könnte sie allerdings gut gebrauchen. Seit sie mit sechzehn Jahren angefangen hatte, mit Ralph Conner auf dem Rücksitz seines Autos Zungenküsse auszutauschen, hatte sie nicht mehr allzu viele Erfahrungen mit Männern gemacht, und wenn, waren sie nicht sonderlich befriedigend gewesen.
Harry hingegen wusste ganz gewiss, wie man eine Frau glücklich machte. Wenn seine bloße Gegenwart bereits genügte, sie zu entflammen. Gewaltsam riss sie sich von diesen Gedanken los und stöpselte ihren Laptop
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