Backstage
Leben, und er sah zu, ließ es geschehen, als sei es das Leben eines anderen.
Bis sie ihn feuerten.
Sicherheitsrisiko.
Dieser Schock rüttelte ihn auf. Er würde sich nicht einfach so abservieren lassen.
Dienstagmorgen.
Die Siedlung, in der Melissa wohnte, hatte etwas von einer Insel. Früher eine Kleingartenanlage, wurde sie nach dem Krieg zu einer dauerhaften Wohnkolonie.
Datschenähnliche Bauten, die Fassaden in den letzten Jahren nach und nach gestrichen, Westautos entlang den Gartenzäune. Manche Bewohner hatten Garagen oder Unterstellplätze gebaut. Einer besaß noch einen Trabant, der einzig verbliebene, liebevoll gepflegt. Ungepflasterte Wege, alte Kopfsteinpflasterstraßen. Der Konsum längst geschlossen, der nächste Supermarkt zu weit zum Laufen.
Hier war noch nichts zur Puppenstube mutiert, wurde der Rasen nicht getrimmt und abgesaugt. Und hier lebten noch dieselben Leute wie vor der Wende.
Melissa war hier aufgewachsen, mit ihrer Mutter Anna. Vorzeitig in den Ruhestand geschickt, nachdem die Belegschaft erst verkleinert, dann die Fabrik geschlossen worden war, zog Anna in ihre Geburtsstadt Radebeul, wo sie all die Jahre Kontakt gehalten hatte, mit Schulfreunden und weitläufigen Verwandten.
In den Jahren als Backgroundsängerin in hochkarätigen Unterhaltungsprogrammen hatte Melissa gut verdient und Anna dafür gesorgt, dass eine größere Summe gespart wurde. Als Sängerin benötigte Melissa keine Instrumente, für die die Kollegen viel Geld umrubelten. Sie besaß ein gutes Mikrophon und eine Gesangsanlage, besorgt vom Vater, der, in den Westen abgehauen, Melissa zwar unregelmäßig, aber Wichtiges zukommen ließ.
Nach der Wende einigte sich Melissa mit den Grundstücksbesitzern aus dem Westen, leistete eine größere Anzahlung und dann monatliche Raten, in etwa zehn Jahren würde das Anwesen, wie Paula es nannte, ihr gehören, zu einem fairen Preis; im Gegensatz zu Nachbarn, die sich noch immer vor Gericht mit Alteigentümern durch die Instanzen stritten.
Melissa hasste Renovieren und Bauen, dem Häuschen haftete dauerhaft etwas Improvisiertes an. Der wild wuchernde Garten harrte der Besuche Annas, die sich gerne seiner annahm, auch mal die Tapeten mit frischem Anstrich versah oder ein neues Regal anbrachte.
Das L-förmig gebaute Haus wurde nach dem Auszug Annas - mit Hilfe von Westmark für Handwerker und Material - zu einem großen Raum umgebaut, das Bad renoviert, eine Küchenzeile eingerichtet. Vom Garten aus konnte man das angebaute Zimmer betreten, früher Melissas Reich, nun Gästezimmer.
Im großen Wohnraum, an der Wand zum Anbau, das überdimensional große Bett, die Matratze war die erste bedeutende Anschaffung nach der Wende. Melissa genoss den Platz, die übergroße Bettdecke, die Unmengen von Kissen.
Um halb sechs gab es Melissa auf, nochmal Schlaf zu finden. Der Alkohol hatte keine Nachwirkungen hinterlassen, Melissas Kondition war legendär. Sie konnte ganze Runden unter den Tisch saufen.
Melissa lüftete den Raum.
Klarer Himmel, der einen sonnigen Tag versprach.
Da Melissa Brauns neuen Tagesplan nicht kannte, durchwühlte sie den Kleiderschrank nach dem Duplikat des gestrigen Hosenanzugs, in Baumwolle, dazu T-Shirt, schwarzen Pullover und Turnschuhe.
Eine halbe Flasche Mineralwasser, ein kräftiger Kaffee, der Vernunft wegen eine Scheibe Brot mit Käse, einen Schokoriegel eingesteckt.
Kein Anruf auf dem Beantworter. Nichts Wichtiges in der Post. Melissa öffnete die Haustür, grüßte den Nachbarn, der seit neuestem joggte.
Alles schien wie immer.
Es war halb sieben. Sie machte sich auf den Weg in die Stadt.
Gladys dehnte und streckte den Körper. Sie hatte die Nacht auf einer grässlich unbequemen Matratze zugebracht, auf dem Wohnzimmerboden in Tamaras kleiner Wohnung.
Es war noch früher Morgen. Der Jetlag hatte zu der unruhigen Nacht beigetragen.
Auf dem Tisch der Stadtplan, den Tamara ihr gegeben hatte. Ihr Ziel lag ganz in der Nähe von Tamaras Arbeitsplatz. Sie würde mit ihr in dieses Viertel fahren. Es gab dort einige Sehenswürdigkeiten, die sie besichtigen konnte. Nach dem Treffen.
Es war der falsche Zeitpunkt. Eindeutig. Melissa traf zum falschen Zeitpunkt im Penthouse ein.
Ein Teil der Möbel an die Wand geschoben, Teppiche aufgerollt. Acht Uhr morgens. Nicht die Lieblingszeit eines Musikers, für Braun vielleicht die ideale Zeit, um schlafen zu gehen.
Ein persönlicher Fitnesstrainer und ein Choreograph bearbeiteten Tom Braun. Der Mann,
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