Backstage
Zange. Und da war die Kleine Hamburger Straße. Melissa blinkte, bog rechts ab und hielt nach ein, zwei Häusern am Straßenrand.
Der VW-Fahrer war ihr gefolgt, entdeckte das tote Ende, bremste, fuhr rückwärts. Doch da stand jetzt Tamaras Auto, quer über die Straße. Der Fahrer wurde gezwungen zu halten.
Melissa sprintete zur Fahrertür, riss sie auf. Ein junger Kerl hob stöhnend die Arme, als wollte er sich ergeben, und ließ sie dann kraftlos auf die Oberschenkel fallen.
Die wenigen Cafébesucher im Freien sahen zu, als handle es sich um einen Filmdreh.
Es sollte nicht schwer werden, dem Jungen seinen Beruf zu entlocken. Tamara beherrschte den bösen Bullen. Er war Jungdetektiv und musste den Eindruck haben, dass zwei Polizistinnen ihn in die Mangel nahmen.
«Eigentlich war ein erfahrener Kollege auf Sie angesetzt, ich bin nur eingesprungen, weil er krank wurde.»
Paula mimte die Verständnisvolle.
«Berufsanfänger, was? Wir lassen Sie laufen, wenn Sie uns den Namen Ihres Auftraggebers nennen.»
«Wir können ihn nicht laufen lassen», sagte Tamara mürrisch. «Ach, sei friedlich, du hast auch mal angefangen. Er kooperiert doch, nicht, sagt uns den Namen, den wir wissen wollen, und schon kann er fahren.»
«Ich weiß nicht. Wir sollten ihn mitnehmen. Er belästigt diese Frau.»
«Wir geben ihm eine Chance und er gesteht seinem Auftraggeber, dass er verbrannt ist. Was haben Sie gestern in Ihren Bericht geschrieben?»
«Ein Unfall trennte mich von der Zielperson.»
«Sieh mal an, ein ganz Schlauer», höhnte Tamara. «Schluss jetzt, Sie stellen Ihr Auto ab und steigen bei uns ein.»
«Reimann ist der Name», platzte der Junge heraus. «Bert Reimann.»
«Ging doch», sagte Paula.
«Und jetzt noch Ihren Namen und den der Detektei, falls Sie auf die verrückte Idee kommen, sich nochmal dieser Frau näher als hundert Meter zu nähern. Wir behalten Sie im Auge.»
«Erwin. Erwin Becker. Hauptstadt-Ermittlungen.»
«Ein Saftladen», sagte Paula, nachdem Becker losgebraust war; rasch hatte Tamara ihr Auto zur Seite gefahren, bevor der Junge zur Besinnung kam.
Tamara, mit veränderter Körperhaltung, schien gewachsen, breiter und stabiler als sonst, wirkte selbstbewusster.
Paula kannte die Detektei.
«Die nehmen alles an, inserieren groß in den Gelben Seiten, engagieren Leute auf Honorarbasis, im Bedarfsfall, und achten manchmal nicht auf Qualifikationen. Ich werde mit dem Chef ein Wort reden, bevor sie dir einen Neuen in den Pelz setzen, Melissa. Sieh an. Bert Reimann lässt dich überprüfen. Warum? Wenn es um deinen Leumund ginge, wäre es zu spät; er hätte sinnvollerweise vor Auftragserteilung als Brauns Begleiterin Erkundigungen eingeholt. Oder diese Amateure haben einfach weitergemacht, wollten ihren Auftraggeber melken. Zeit für ein Pow-Wow. Übrigens, gut gemacht, Tamara. Du darfst uns heute Abend einen ausgeben.»
Die Vorsitzende des Fanclubs Tom Braun hatte als Treffpunkt das Kellerloch vorgeschlagen, eine Kneipe in Friedrichshain, östlich der Stadtmitte und durch die Spree vom ehemaligen Kreuzberger SO 36 getrennt.
Evelyn Kunz war etwa Ende dreißig.
«Früher haben wir uns in Kreuzberg getroffen, aber diese Stammkneipe ist jetzt hierher gezogen, wie so viele Kreuzberger auch. Wir, also der Fanclub, treffen uns einmal im Monat hier.»
An der Kneipe war nichts Auffälliges: Holztische und -stühle, auch der Bartresen aus Holz, die Ausstattung war den Siebzigern zuzurechnen.
Die Vorsitzende war klein und stämmig gewachsen, mit unruhigen Augen im herzförmigen Gesicht, trug Cordhosen und ein bauchfreies T-Shirt unter schwarzem Jackett. Ungeschminkt, bis auf die schwarz umrandeten Augen, die Haare hochgesteckt wie jetzt modern, mit auf die Schulter fallenden Strähnen.
Hip Hop, Ska, Reggae, Rock, ein bunter Stilmix, so laut eingestellt, dass man auch laut sprechen musste.
Evelyn Kunz erkundigte sich besorgt nach Brauns Ergehen, als sei er ein lieber Verwandter. Sie hatte drei Alben mitgebracht, voll geklebt mit Fotos, Zeitungsausschnitten und als Juwel ein Foto von Evelyn und Braun, er mit breitem Berufslachen.
«Die Fotos vom Flughafen sind noch nicht eingeklebt», sagte Kunz. «Ich habe mit der neuen Digitalkamera geknipst, und jetzt spinnt mein Computer. Aber bis zur Monatsversammlung hab ich das geregelt.»
Melissa bestellte zwei Buletten mit Kartoffelsalat und eine Flasche Mineralwasser, der Vernunft gehorchend, Kunz beschränkte sich auf einen Kaffee, trotz Melissas
Weitere Kostenlose Bücher