Backstage
Einladung.
Schnell wurde klar, dass sie hoffte, mit Melissas Hilfe ihr Idol zu treffen.
«Tom trauert bestimmt um seinen Freund», sagte Kunz. Melissa nickte.
Schon blätterte Kunz in den Alben.
«Hier. Es gab mal eine Illustriertenserie über die Anfänge von Stars. Da sind sie. Tom und Panitz, Tom und Fred.»
Langhaarig, Hosen mit Schlag, Batikhemden, Panitz mit Bart, sehr jung noch.
Melissas Handy vibrierte. Die Anruferin war Paula.
«Ich kenne das Obduktionsergebnis. Die Gerichtsmedizin hat vorrangig geschnitten. Die Macht der Presse, du verstehst.» Melissa entschuldigte sich kurz bei Kunz, drehte ihr den Rücken zu.
«Hat Deep Throat geplaudert?»
«Panitz wurde erstochen. Restalkohol vom Vortag. Spuren eines Schmerzmittels, verschreibungspflichtig. Übrigens keine Vorstrafen. Bist du schon bei dem Oberfan?»
«Ja, mitten im Gespräch. Sieh dir mal die Homepage von Braun an, www.TomBraun.de, wahrscheinlich nichts Neues, aber wir sollten nichts übersehen.»
«In Ordnung. Wir besprechen alles Weitere heute Abend.»
Die Bedienung stellte einen Teller mit fetttriefenden Buletten vor Melissa.
«Handy is hier nich.»
«Okay.»
Der Kartoffelsalat ertrank in Mayonnaise. Melissa verteilte großzügig Senf über die Fleischklopse und begann zu essen. Kunz erzählte, streifte Kindheit, Jugend, die Karriereflaute, den erneuten Erfolg.
Melissa erfuhr nichts, das des Zuhören wert war; ein wirres Potpourri aus Klatsch, Interviews, von der Plattenfirma oder dem Manager lancierten Nachrichten.
«Die Ehe der Brauns scheint nicht die Beste», hakte Melissa ein. «Er mag sie, ist ihr dankbar. Sie hat ihm geholfen, war immer wie ein Freund.»
«Sie meinen die Heidelberger Zeit, als die Band noch über die Dörfer zog und sicher nicht viel verdiente.»
Kunz schwieg.
Bestellte dann noch einen Kaffee.
«Wissen Sie, Evelyn, Tom steckt in der Klemme», versuchte Melissa die Unterhaltung auf ergiebigeres Terrain zu führen. «Er wird doch nicht etwa verdächtigt? Quatsch.»
Melissa machte eine bedenkliche Miene, bejahte nicht, verneinte nicht.
«Ich will ihm helfen, deshalb bin ich hier. Wir müssen zeigen, dass Braun kein Motiv hatte, Panitz zu ermorden.»
«Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Panitz und Lilli haben ihm immer zur Seite gestanden, in jeder Situation, bei allen Problemen und Schwierigkeiten.»
Es war nichts Brauchbares aus Evelyn Kunz herauszubringen, nicht von Melissa. Vielleicht hätte Paula es geschafft, dachte sie. Dieses Ausfragen ist nicht mein Job, darin hab ich keine Erfahrung, bin nicht hartnäckig genug.
Melissa bezahlte, gab Kunz ihre E-Mail-Adresse und bat sie, ihr die Fotos vom Flughafen so bald als möglich zu schicken. «Tom braucht Ruhe», versuchte sie die Vorsitzende zu trösten, die sie am liebsten sofort begleitet hätte. «Er ist noch einige Tage in Berlin, in der Zeit wird sich eine Möglichkeit zum Treffen ergeben, er wird sich sicher freuen, der Vorsitzenden seines Berliner Fanclubs zu begegnen.»
«Bleibt Tom dieses Mal noch nicht in Berlin?»
Melissa zog es die Haut zusammen von Evelyn Kunz' Gerede über diesen Menschen, als sei er eine reale Figur ihres Lebens, als kenne sie ihn wirklich und nicht nur die Zeitungsberichte über ihn. «Woher wissen Sie, dass Braun beabsichtigt, sich eine Wohnung in Berlin zu nehmen?»
«Stand doch in der Zeitung», erwiderte Kunz und ging davon, die Alben sorgsam im Arm.
Melissa hätte sich das Penthouse gern angesehen, das Panitz seinem Freund verkaufen wollte, es stand nicht weit entfernt, ein Stück der Spree folgend, in Richtung Osten. Aber Paula hatte ein Pow-Wow einberufen, das hatte Vorrang; eine der wenigen Regeln zwischen Paula und Melissa.
Pow-Wow. Ausreden lassen, alles aussprechen, auch wenn es noch so abwegig schien. Und - anschließend mit niemandem darüber reden.
Paula und Melissa hatten sich dafür den Dorotheenstädtischen Friedhof ausgesucht, zehn Fußminuten entfernt von der Detektei und neben dem Brecht-Weigel-Haus gelegen; Melissa besuchte Hanns Eislers, Paula Heiner Müllers Grab.
Nun saßen sie auf einer Bank, eine Birke filterte das Sonnenlicht, Paula mit untergeschlagenen Beinen, was ihr böse Blicke von Vorbeigehenden eintrug.
Innehalten.
Schweigen.
Zuhören.
«Nimm den Job bei Reimann an», riet Paula. «Beobachte ihn, mich interessiert, was er dir aufträgt. Gib dich naiv.»
«Zu spät. Die Tour nimmt er mir nicht mehr ab.»
«Täusch dich nicht. Gerade machtgeile Kontrollfreaks genießen
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