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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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selten Grenzen setzten, über alles diskutierten und entsetzt reagierten, als ihre Tochter sich - ohne Rücksprache - in ein System begab, in dem ständig Grenzen gesetzt wurden, in das klare Ja-und-nein-Wertesystem der Polizei. Jetzt würde Tamara lernen müssen, eigene Regeln zu finden, erwachsen sein, wenn die elterlichen Stimmen im Kopf - beurteilend, wertend - leiser würden und irgendwann verstummen. Ein letzter Blick auf die leise schnarchende Tamara, dann schloss Paula behutsam die Wohnungstür.
    Es war eine angenehme Fahrt nach Wannsee. Der Fahrer merkte schnell, dass Paula sich nicht unterhalten wollte, stellte das Jazzradio ein - «In Ordnung?» - und lenkte das Auto ruhig und umsichtig.
    Paula wurde sich rasch einig mit dem Chauffeur, bezahlte. «Soll ich warten?», bot er an und deutete aus dem Fenster. Ein Mann saß auf der oberen Treppenstufe vor der Haustür. «Danke, das ist in Ordnung», sagte Paula.
    «Hier ist meine Karte, falls Sie mal wieder einen Fahrer brauchen.»
    Paula stieg aus, öffnete die Gartentür.
    «Vielleicht gibst du mir doch einen Schlüssel für Fälle wie heute, wenn ich dich überraschen will. Ich dachte schon, die Nachbarn hetzen mir die Schupo auf den Hals, weil, in dieser Gegend, ein Kerl vor deiner Haustür sitzt», sagte Otto Ehlers.
    «Ich hasse solche Überraschungen», entgegnete Paula und sah dem abfahrenden Taxi nach.
    «Deutsch war meine erste Sprache. Mom war immer bei mir. Wir zogen durch Kalifornien, wohnten in Landkommunen und Wohngemeinschaften. Sie hat gebacken, und ich habe Englisch gelernt, auf der Straße, von den Leuten, bei denen wir wohnten. Irgendwann blieben wir südlich von Los Angeles, in einem kleinen Ort, der Laguna Beach heißt, und ich konnte regelmäßig in die Schule gehen. Je erfolgreicher meine Mutter wurde, umso gründlicher hat sie ihre Vergangenheit umgeschrieben.»
    «Von welchem Stamm bist du?»
    «Ich? Du meinst diesen Erzeuger? Damit habe ich nichts zu tun, würde ich am liebsten sagen. Der Stamm? Es sind die Dakota, früher waren es Plain-Indianer.»
    «Wow. Meine Mutter ist einem Ort bei Dresden geboren, in Radebeul, und dort steht das Karl-May-Museum, früher hieß es Indianermuseum, als Karl May noch verpönt war.»
    «Wer ist Karl May?»
    «Erzähl ich dir ein anderes Mal.»
    «Ich hole mir ein Mineralwasser, soll ich dir etwas mitbringen?»
    «Nein.»
    Melissa langte nach der Zigarettenpackung, Tau hatte sie feucht werden lassen. Es war Neumond, eine dunkle Nacht, das fahle Straßenlicht weit weg, die Lampe am Nachbarhaus immer noch kaputt.
    Das Geräusch eines Autos, das näher kam, dann wurde der Motor abgestellt.
    Ein Hund schlug an. Schritte. Und plötzlich schienen die Geräusche dieser Nacht angehalten, war nichts mehr zu hören. Melissa dachte sofort an Becker und seine Detektei und ob man ihr wieder jemand auf den Hals geschickt hatte.
    Leise Schritte durch das feuchte Gras, Gladys, die sich zu Melissa herabbeugte.
    «Alles in Ordnung?», flüsterte sie.
    «Mich hat gestern ein Kerl verfolgt», wisperte sie Gladys zu.
    «Ich werde nachsehen, das ist schließlich mein Job.»
    Und schon tauchte Gladys in die Dunkelheit.
    Trockener Mund, Herzklopfen, dann kam Melissa zur Besinnung. Verflucht, sie würde hier nicht wie ein Opferlamm sitzen bleiben, schließlich war sie in Selbstverteidigung und Nahkampf ausgebildet. Sie schälte sich aus dem Schlafsack. Verdammt, wo waren die Schuhe, sie angelte vergeblich danach, also musste es barfuß gehen. Sie schlich zum Zaun des Nachbarhauses, in die entgegengesetzte Richtung, in der sie Gladys vermutete. Der Zaun bestand aus hüfthohen Holzlatten, des Hundes wegen, der wieder jaulte und plötzlich verstummte. Melissa schwang sich über den Zaun, jetzt merkte sie den Schnaps, es war mühsam, und sie kam unglücklich auf, verstauchte sich den Knöchel und unterdrückte gerade noch einen Schmerzenslaut. Sie schlich weiter, vorbei am Stellplatz mit dem Nachbarsauto, und stieß an etwas Warmes, Feuchtes, zuckte zurück. Sie ging in die Knie, tastete mit bebenden Fingern, zog das Feuerzeug aus der Hosentasche, schirmte das Licht ab. Der Schrei erstickte in der Kehle, nur ein Röcheln brach sich Bahn. Dann rebellierte ihr Magen.
    Der kleine Dackel lag da, mit aufgeschlitztem Körper, die blutigen Eingeweide an ihrem Fuß. Jemand schnappte ihren Arm, drehte ihn nach oben.
    Melissa schrie.
    «Oh no.»
    Gladys ließ den Arm los.
    Nachbarn auf der Straße, einer rief die Polizei. Licht, Lärm,

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