Backstage
Menschen in Bademänteln und Jogginganzügen.
Ein Polizist, der Melissas vage gehaltene Aussage aufnahm; sie habe, von Hundegejaule aufgescheucht, nachsehen wollen, ohne die Nachbarn aufzuwecken. Melissa verschwieg den Detektiv, der sie verfolgt hatte - den sie gestellt hatte, wie im Film, illegal und dem angeschlagenen Ruf nicht zuträglich -, auch Gladys verschwieg, was Melissa ihr anvertraut hatte.
Die Hundebesitzer kannten Melissa als Hundefreundin. Empörte Nachbarn forderten die Polizisten auf, das nahe liegende Ausländerwohnheim zu kontrollieren, das kürzlich in einem leer stehenden Gebäude eingerichtet worden war. Früher eine Kindertagesstätte, hatte allein diese Schließung für böses Blut gesorgt.
Seitdem gab es Streit mit Jugendlichen, eingeworfene Straßenlampen und Abfall in den Vorgärten.
Aber das hörte Melissa schon nicht mehr. Sie humpelte in ihr Haus und versuchte vergeblich, Paula zu erreichen, stieß auf Mailbox und Anrufbeantworter.
Später folgte Gladys Melissa, die es ablehnte, sich in eine Erste-Hilfe-Station bringen zu lassen. Sie nahm eine Dusche, spülte das Hundeblut vom Fuß. Der Arm war nicht ausgekugelt, der Knöchel nicht dick. Annas Salbe für alle Fälle, großzügig auf Fuß und Schulter verrieben, und ein kräftiger Schluck Schnaps. Draußen wurde es ruhiger, die Nachbarn zogen sich in ihre Häuser zurück, Rollläden wurden heruntergelassen, Haustüren verschlossen.
Die Polizei suchte noch das Gelände ab, sie würden einen Wagen vor dem Nachbarhaus postieren, für die seelische Ruhe, der Täter würde sich in dieser Nacht nicht mehr blicken lassen. In dieser Nacht schliefen beide Frauen in Melissas großem Bett. Gladys blieb wortkarg, bis Melissa eingeschlafen war, dann schlich sie ins Bad, zog das Handy aus der Tasche und verschickte eine SMS. Danach ging sie in die Küche, suchte das größte und schärfste Messer und legte es neben sich, ans Bett.
FÜNF
Als Paula am Morgen ihr Haus verließ, schien die Sonne schon wärmer als all die Tage zuvor.
Heute würde sie mit dem Auto in die Stadt fahren, sie hatte einige Wege zu erledigen. Sie blieb für Momente im Vorgarten stehen, der einzige, in dem Gras und Blumen wild wuchsen. Die Nachbarn verbargen sich hinter dichten Sträuchern, sie würde sich demnächst reihum vorstellen.
Vögel, das Geräusch eines einzelnen Autos; ungewohnte Ruhe für Paula, die ihr bisheriges Leben in den Innenstadtbezirken verbracht hatte.
Morgenrituale und die Freude auf die Arbeit, die sie liebte. Heute Morgen jedoch auch Unruhe, die für Adrenalin sorgte, durch die Fragen, die sich aufdrängten: nach Lissa, dem Mord an Panitz, der neuen Situation in der Detektei.
Mit Ehlers sprach sie nicht darüber. Er war ein Schweigsamer. Die Klage vieler Frauen über das Schweigen ihrer Männer teilte Paula nicht, sie mochte ihn dafür. Sie trafen sich einmal die Woche, teilten sportliche Interessen, er schmuggelte sie manchmal auf den Polizei-Schießstand. Da er nicht über Nacht bleiben konnte, hatte Paula den Morgen für sich. Er belästigte sie nie mit Erzählungen über seine Frau, über ihr Unverständnis klagend oder ähnliche Peinlichkeiten.
Er war ein phantasievoller Liebhaber, der weder nur seine Vorlieben durchzusetzen suchte noch bei jedem Handgriff fragte: Ist es recht so?
Gestern hatte sie ihn nach Hause geschickt. Sie hatten anfangs eine klare Verabredung getroffen, und die hieß: Anmelden. Paula wollte nicht in die klassische Lage einer Geliebten kommen, die jederzeit für ihn erreichbar wäre.
Murrend war Ehlers abgezogen.
Paula, in strengem Kostüm aus grauem Nadelstreifen, zögerte; sie war zu warm angezogen, auch ein Zeichen der Unsicherheit an diesem Morgen. Aber zur Not hing noch Kleidung zum Wechseln im Büro. Los. Zuerst würde sie nach Charlottenburg fahren, in Panitz' Wohnung.
Gutes, altes Charlottenburg, geliebt und verspottet.
Paula befürchtete, dass Panitz' Wohnung versiegelt war. Sie hatte Erfahrung darin, die Wohnungen Verstorbener zu betreten, die letzte Hüllen derer Leben aufzuräumen: Kleidung, vor kurzem noch getragen, ein Buch mit Lesezeichen am Bett, zuletzt gelesen, der letzte Anruf, Post im Kasten - Unbelebtes, das sie nicht schreckte; meist waren die Verstorbenen nicht mehr zu spüren, längst auf der nächsten Reise.
Vor dem Altbau in der Knesebeckstraße stand ein Möbelwagen. Paula parkte, lief hinüber und fragte einen der Männer nach der Wohnung, die sie leer räumten.
Es waren Panitz'
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