Backstage
willst du mit dem Taxi dort vorfahren?»
«Wenn die Teichert nicht dort ist, steig ich ein. Was?»
«Ich hab nichts gesagt», antwortete Tamara, mit Melissa auf dem Weg zu ihrem Auto.
Grau in grau, Wolken in allen Grautönen. Die Spaziergänger warm eingepackt, die Temperaturen um mindestens fünf Grad weniger als am Vortag.
«Ich dachte, du musst darauf achten, dass deine Kaderakte sauber bleibt.»
«In diesem Laden, bei Oshinski und März?»
«Du hast ja Humor, Tamara.»
«Und du Vorurteile.»
Melissa, auf dem Beifahrersitz, beobachtete Tamara und ihren Fahrstil; es gab nichts zu bemängeln.
Dann zückte sie das Handy und ließ sich zu Tom Braun durchstellen.
Er brauche sie, werde belästigt, von allen möglichen Leuten, die man zwar nicht zu ihm lasse, die aber immer wieder nachfragten, unter abenteuerlichem Vorwand, ob sie ihn sprechen könnten.
Melissa beschwichtigte ihn mit dem Versprechen, sie werde am Abend vorbeikommen.
Wie immer - sie musste dieses Arbeitsverhältnis klären.
«Pace?», sagte Melissa, streckte Tamara mit abgewandtem Gesicht die Hand hin.
Tamara drückte zu, fest.
«Weiber», knurrte Melissa.
Gladys lief durch den mittleren Büroraum, hin zur Fensterfront, zurück zur Eingangstür, beschleunigte; der Raum schien immer kleiner zu werden. Ihr Gesicht zeigte die Spuren des Schlafs, eine eingedrückte Falte dort, wo die rechte Gesichtshälfte auf dem Kissen gelegen, das Melissa ihr untergeschoben. Dunkle Augenringe. Das Haar ungekämmt.
Und wieder, hin und her.
Paula, auf der Couch, beobachtete die Frau, in deren Zügen sie nicht lesen konnte, was in ihr vorging. Melissa und Tamara hatten sich auf den Weg gemacht. Einerseits beruhigte es Paula, dass Tamara das Auto fuhr, Tamara, die gefühlsmäßig nicht so involviert war wie Melissa. Dem enormen Druck ausgesetzt, vor allem in der letzten Nacht, würde Melissa am liebsten mit Gewalt ein Ende der Ereignisse herbeiführen, wenn sie die Macht hätte. Die Geduld, die sie sonst im Job auszeichnete, ihre Fähigkeit, sich zurückzunehmen, war auf harte Proben gestellt worden. Machen, agieren, aktiv sein funktionierte nur bedingt. Paula fürchtete eine Kurzschluss-Aktion Melissas, vor der sie hoffentlich Tamara bewahrte. Andererseits war da auch Tamaras Ehrgeiz zu beachten, die befürchteten Soli aber bisher ausgeblieben. Die Einschätzung der Polizei galt vielleicht nur für deren Arbeitszusammenhänge. Tamara hatte sich sozusagen in den Dienst der Detektei gestellt, mitgearbeitet, mitgedacht. Lass sie los, ermahnte sich Paula. Die beiden sind in der Lage, auf sich selbst aufzupassen, verantwortlich zu handeln. Du bist diejenige mit einer Verletzung, mit dem Gipsarm.
«Setz dich.»
Gladys schien sie nicht zu hören.
«Stop it.»
Gladys blieb stehen. Endlich. Drehte sich zu Paula, entschuldigte sich für ihr Gerenne.
«Was soll ich tun, was ist dir lieber? Soll ich verschwinden? Oder gibt es etwas, das ich für euch tun kann?»
«Setz dich bitte.»
«Ich habe in den letzten vierundzwanzig Stunden zu oft gesessen.»
«Du sprichst Deutsch wie eine Eingeborene, beinahe akzentfrei.»
«Meine Mutter und ich haben immer Deutsch gesprochen. Ich war mehrere Jahre in einer deutschen Schule. Sie wollte, dass ich in der deutschen Sprache zu Hause bin, wusste lange nicht, ob sie nicht zurückkehren würde.»
«Was überwiegt, Gladys April Parker, Wut oder Schuldgefühle?» Gladys' Augen verrieten ihre Gefühle. Wie verwundet sah sie Paula an, kauerte sich vor sie, auf den Boden, legte die Arme auf den Sessel, als wolle sie sich festhalten. Dann ballte sie die Fäuste. «Ich bin so wütend. Alle, die etwas zu sagen haben in meinem Berufsleben, haben mitgeholfen, dass ich reingelegt wurde. Wer wusste Bescheid, frag ich mich? Ich könnte keinem mehr trauen. Ich hab meinen Beruf gerne gemacht. Jetzt bin ich hier, in Berlin, ohne Job, meine Mutter hat mich belogen, und ich hab euch, ich habe Melissa in Gefahr gebracht.»
«Wie schätzt du die Situation ein: Werden sie dich in Ruhe lassen? Wird dieser Kerl sich nochmal auf deine Spur machen?»
«Der wird verzweifelt einen Schlupfwinkel suchen. Er kann sich ausrechnen, dass er gejagt wird und jetzt auch für die Deutschen ein zu heißes Eisen ist, nach dem Kidnapping letzte Nacht. Der wird keinen Ansprechpartner mehr finden.»
«Werden sie deine Drohung ernst nehmen?»
«Die werden sich mit meinen, mit den Leuten vom FBI in Verbindung setzen und erfahren, dass man sich auf mein Wort
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