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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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Waschbecken und der Arbeitsfläche in der Küche Reproduktionen eigener Arbeiten. Der Jet of Water , das Orestie -Triptychon, die zweite Version von Three Studies for Figures at the Base of a Crucifixion von 1988.
    Auf einem Tisch im Schlafzimmer in einem Stellrahmen ein Foto von George Dyer.
    Bevor man zur eigentlichen Ausstellung gelangte, führte der Weg durch den Giacometti-Saal. Zwischen der Großen FrauIII und dem Mann, der geht befand sich in einer Glasvitrine die kleine, durchaus transportable Figur des Mannes, der unter dem Regen geht . Ich hätte meine Tasche doch nicht abgeben sollen. Im nächsten Raum hing Claude Monets Seerosenweiher neben dem Seerosenweiher der Fondation, getrennt nur durch eine Glaswand.
    Dann ging es los. An den Papstbildern flanierte ich wieder gemächlich vorbei; ich konnte sie bewundern, aber sie hatten keine unmittelbare Wirkung auf mich. Im angrenzenden Saal hingen die Three Studies for Head of Isabel Rawsthorne . Ich sah sie schon, bevor ich sie sehen konnte. Sie strahlten durch die Wand. Oder vielleicht riefen sie mich, in einem hohen, dem menschlichen Ohr nicht vernehmbaren Ton.
    Als ich vor den Bildern stand, wurde ich von dem Drang heimgesucht, mit ihnen zu sprechen. Hielt mich aber zurück, ich wollte nach dem Geplänkel mit der Tasche nicht noch mehr auffallen. In der Fondation hatten die drei Porträts einen besonders guten Platz bekommen; das Licht der kleinen Scheinwerfer ließ sie leuchten, als schwebten sie in einer mediterranen Abendsonne. Jedes einzelne in einem dünnen Rahmen aus Gold, dahinter ein lindgrünes Passepartout. Alle drei umschlossen von einem weiteren Goldrahmen, dick wie ein Unterarm, gleichzeitig aber fließend im Licht. Ein goldener Strom in rechteckigem Bett.
    Nicht weit davon noch einmal Isabel, riesig, standing in a Street in Soho . Ein Stier rast auf sie zu, doch ihre Miene lässt keinen Zweifel aufkommen: Mit einem Wort oder einem Nicken des Kopfes wird sie das Vieh in die Knie zwingen. Isabel in der Arena, ein weiblicher Torero, beschirmt von dem libellenblauen Baldachin.
    Triptych – August 19 72: Da war sie wieder, die Fledermaus. Auf der linken Tafel. Ihre Ohren eingeschnitten in George Dyers Brust. Der Oberkörper flog, er schwebte in der Schwärze, doch von der Hüfte abwärts rann die Figur aus. Rosafarbene Flüssigkeit sickerte auf den Boden. Das war kein Schatten, das war ein Ausfluss.
    Der Kopf, der aus der fliegenden Brust wuchs, hielt die geschwollenen Lider geschlossen. Auf dem Nasenrücken ein roter Punkt, die winzige Wunde, die ein blutsaugendes Insekt hinterlassen hatte.
    Auch auf der rechten Tafel: ein Torso auf einem Stuhl. Hier changierte der Schatten zwischen Rosa und Lila. Er mündete in eine weiße Rundung, schwarz unterlegt: das Beil eines Henkers. Diese Axt hatte der Figur das rechte Bein unterhalb des Knies abgehackt und schnitt gerade ins linke Schienbein. Der Rest des linken Beins hatte selbst schon die Farbe des Schattens angenommen. Doch auch dieser Schatten war keiner: Eine tödliche, bazookafarbene Masse drang aus einer Mauerritze, lief in einer Stahlklinge aus und verstümmelte einen Menschen. Der aber saß in sich versunken, mit geschlossenen Augen. Hatte nichts zu tun mit seiner eigenen Zerfleischung. Als Augenbraue ein weißer Strich auf schwarzem Grund: Auch im Gesicht war eine Axt an der Arbeit, wenn auch eine viel kleinere. Der Mund war schon zu einem roten Klumpen gehäckselt, die Nase aufgequollen, nur die Stirn war noch unversehrt. Wie mit einem Aquarellpinsel gemalt wuchsen die Haare aus der Schädeldecke. Ein Frisurenbeispiel aus dem Katalog eines Coiffeurs.
    Und die Mitteltafel: Da wälzten sich zwei Körper an der Schwelle zum Schwarz, ein viel zu kleiner Kopf wurde zu Boden gedrückt, Augen geschlossen, Haare nach vorne gekämmt, auch hier: ordentlich. Darüber das Profil George Dyers, gänzlich geschwärzt, in Ruß getaucht, nur ein Hauch von Libellenblau am Hals. Der Kopf warf einen kleinen Schlagschatten, scharf umrissen. Weiße Pfeile deuteten Bewegungen an, in gegenläufige Richtungen. So wurden die sich paarenden Körper gegeneinander gedreht, ausgewrungen wie nasse Lappen. Eine lila Pfütze trat aus, ein perfektes Oval.
    Zwischen den Leibern und der Pfütze noch einmal die Fledermaus. Ein weißer Arm drückte sie zwischen die Beine des unten liegenden Mannes, eine verzweifelte Anstrengung, dem Tod die Brust zuzupressen, ihn zu zerdrücken am Körper des Geliebten, mit muskulösem,

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