Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
zu spät.«
»Vermutlich«, sagte Sebastian.
»Ich weiß nicht, wie man das nennt, was ich vorhabe. Ich würde gern glauben, dass ich sie beschützen will. Aber vielleicht will ich sie nur bespitzeln.«
»Schlimm, schlimm«, sagte Sebastian.
»Könnte es sein«, fragte ich, »dass du nicht ganz bei der Sache bist?«
»Ich? Nein, wie kommst du darauf? »
»Du schaust mich nicht an. Du lässt deine Doris nicht aus den Augen.«
»Das heißt noch lange nicht, dass ich dir nicht zuhöre«, sagte Sebastian. »Man hört mit den Ohren, nicht mit den Augen. Also: Was ist der letzte Stand der Dinge?«
»Maia ist in Cambridge«, sagte ich. »Bei einem Freund, der vorgibt, etwas über Lohmeier zu wissen. Ein Kunsthistoriker. Spezialgebiet Kunstraub. Er heißt Thomas Watt.«
Sebastian drehte mir sein Gesicht wieder zu. »Doch nicht etwa der Thomas Watt?«
»Ich glaube, schon. Maia spricht in den höchsten Tönen von ihm. Er muss eine Koryphäe sein.«
»Kann man wohl sagen. Eine Legende. Hat doch damals den Raub des Vermeer aus dem irischen Schloss aufgeklärt. Russborough House, glaube ich. War eine Riesensache. Die Briefschreibende Dame mit Zofe , weißt du nicht mehr?«
Später am Abend spazierten wir auf der Urfahraner Seite an der Donau entlang und sahen den Mond über dem hässlichen Gebäude der Kunstuni aufsteigen. Ein duftender Frühlingswind blies uns entgegen, eine Greisin fütterte am Ufer die Schwäne. Ich hatte einen Stock aufgelesen und malte damit Zeichen in die Luft. Rennradfahrer ohne Licht zischten in einem Höllentempo an uns vorbei. Wir flüchteten auf eine Parkbank am Fluss.
»Was würdest du denn an meiner Stelle machen?«, fragte ich.
»Ich würde die Finger davon lassen. Das ist eine Nummer zu groß für mich. Und ich vermute, auch für dich.«
»Aber ich kann doch nicht einfach nichts tun«, sagte ich.
»Warum nicht? Isabel hast du verloren, damit musst du leben. Ich glaube kaum, dass du sie durch Hinterherschnüffeln wieder für dich gewinnen kannst.«
»Und wenn sie wirklich in Gefahr ist? Wenn sie in die Hände eines Verbrechers gefallen ist?«
»Dann würde sie ihn kaum so anhimmeln.«
»Tut sie das?«
»Hast du selbst erzählt.«
Ich senkte den Kopf und stocherte auf dem Fleckchen Wiese zwischen meinen Schuhen herum.
»Und was ist mit Maia? Die hab ich doch mit hineingezogen.«
»Maia verbringt ein paar ruhige Tage in Cambridge, und das war’s.«
»Ich bezweifle, dass ihre Tage so ruhig sind«, sagte ich.
»Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?« Sebastian lachte und legte mir den Arm um die Schulter. »Wenn das kein gutes Zeichen ist!«
Ein gewaltiger Schleppkahn mit bulgarischer Flagge fuhr die Donau hinunter. An Deck standen zwei Kinder und winkten.
Sebastian fasste sich an die rechte Backe und stöhnte leise.
»Was ist?«, fragte ich.
»Mein Backenzahn tobt schon wieder. Dabei ist er gerade erst plombiert worden. Ich brauche wohl rasch einen Zahnarzttermin.«
»Lass ihn dir doch einfach ziehen«, sagte ich und warf meinen Stock ins Wasser, dass die Schwäne auseinanderstoben.
Fünf
Bei der Rückfahrt nach Wien gelang es mir nur schwer, mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Sebastians Worte spukten mir im Kopf herum. Sollte ich mich tatsächlich aus allem heraushalten? Zur Tagesordnung übergehen? Aber was war meine Tagesordnung?
Ich parkte an der Linken Wienzeile in zweiter Spur, sprang aus dem Auto und holte mir aus dem Puccini’s eine Pizza und zwei Flaschen Barbera d’Alba. Zu Hause öffnete ich die Balkontüren und deckte den kleinen Plastiktisch. Ich will nicht mehr grübeln, sagte ich mir, heute Abend lasse ich es mir gutgehen. Es gelang ganz gut, die Pizza schmeckte vorzüglich, und der Wein ließ prickelnde Wärme in meinen Magen strömen. Hätte ich nicht diese Affinität zu hausgemachten Katastrophen, wäre einem erträglichen Abend nichts im Wege gestanden.
Aus einer plötzlichen Eingebung heraus klappte ich meinen Laptop auf und suchte im Netz nach Manuela. Ich hatte ihren Familiennamen vergessen, ich wusste nur noch, dass sie Sängerin werden wollte. Der Zufall war auf meiner Seite. Nach einer halben Stunde entdeckte ich ein Video. Manuela and the Lonely Boys hieß die Band, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, diesen Namen als eine Hommage an Sebastian und mich zu deuten. Auch wenn das sehr unwahrscheinlich war: Der Livemitschnitt war 1999 aufgenommen worden, fünfzehn Jahre nach der Schließung des Elektro-Schmid .
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