Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
Cambridge hätte dir gefallen. Besonders die Buchhandlungen. Und die Bibliotheken. Aus der Wren Library von Trinity hätte ich dich tagelang nicht herausbekommen.«
Ich hatte Maia vom Flughafen abgeholt, wir waren auf dem Weg ins Maldoror .
»Ich wäre euch doch bloß im Weg gewesen.«
»Red keinen Unsinn.« Maia lehnte sich zurück und hielt mir ihre Hände unter die Nase. »Diese Finger«, sagte sie, »haben Newtons Apfelbaum berührt.«
Sie sah meinen ungläubigen Gesichtsausdruck und musste lachen.
»Na ja, zumindest einen Ableger.«
Maia sah aus, als wäre sie von einem Strandurlaub im Hochsommer zurückgekehrt. Ihre schwarze Mähne stand in alle Richtungen vom Kopf ab. Unter ihrem kurzen Baumwollkleid ragten braungebrannte Beine hervor. Ihre Füße steckten in Flipflops.
»In besonderen Jahren«, sagte sie, »ist der April in England unwiderstehlich.«
» April ist der grausamste Monat «, sagte ich. »Wusstest du eigentlich, dass das ursprünglich erst auf der zweiten Seite stand?«
»Was?«
» April is the cruellest month. Der berühmte Anfang von The Waste Land . In der Urfassung eigentlich Zeile 55. Kurz vor der Veröffentlichung hat Eliot die ersten 54 Zeilen gestrichen. Ganz schön radikal, findest du nicht?«
Maia lachte und legte mir die linke Hand auf die Schulter.
»Arthur Valentin«, sagte sie, »der Meister des unnützen Wissens.«
»Möchtest du«, fragte ich ein wenig gekränkt, »wirklich nicht vorher nach Hause?«
»Nein, ich muss dir die Geschichte sofort erzählen. Es sei denn, du willst andeuten, dass ich nach Schweiß rieche und vorher duschen soll.«
»Wenn hier einer schwitzt, dann ich.«
Wir fanden auf Anhieb einen Parkplatz in der Margaretenstraße. »Ich bringe uns Glück«, sagte Maia und hievte ihre Reisetasche aus dem Kofferraum. In der Küche des Maldoror hielt ich schon eine Flasche Cabernet Sauvignon in der Hand, aber Maia schüttelte den Kopf.
»Mach uns lieber einen Tee«, sagte sie. »Möglichst einen beruhigenden.«
Lindenblüten, entschied ich. Dank unseres englischen Teekochers war die Zubereitung eine Frage von Sekunden.
Wir setzten uns an den Küchentisch.
»Bevor ich anfange«, sagte Maia feierlich, »möchte ich dir gerne noch etwas geben.« Sie zog ein blaues Päckchen aus ihrer Reisetasche und überreichte es mir.
»Hier«, sagte sie. »Für dich.«
»Aber Maia, das wäre doch nicht …«
»Nun mach es schon auf.«
Ich löste vorsichtig den Klebestreifen vom Geschenkpapier und wickelte das Buch aus.
Hermann Broch, las ich, The Death of Virgil . Pantheon . Die Gestaltung des Umschlags kam mir bekannt vor. Aber das war unmöglich. Maia konnte doch nicht … Ich klappte das Buch auf, suchte die Jahreszahl. 1945 stand da.
»Maia, du bist verrückt!«
»Hab ich bei Galloway & Porter in der Sydney Street entdeckt. Nicht schlecht, was?«
Ich konnte meine Rührung nicht verbergen, stand auf und versuchte Maia auf die Wange zu küssen. Stieß dabei mit der Hüfte an den Tisch. Maias Teetasse tanzte auf ihrem Untersatz, dann kippte sie um. Wie in Zeitlupe sah ich die heiße Welle auf Maias Knie zuschwappen.
»Vorsicht!«, rief ich. Maia sprang hoch und entkam um Haaresbreite. Ich murmelte Entschuldigungsformeln. Immer musste ich alles vermasseln.
»Schon gut«, sagte Maia. »Ist ja nichts passiert. Setz dich wieder hin und hör mir zu.«
Ich spürte die Aufregung in mir hochkriechen und zündete mir eine Zigarette an.
»Hast du jemals«, fragte Maia, » Rififi gesehen?«
»Ich denke schon. Dieser Schwarzweißfilm mit der Einbruchszene, in der nicht gesprochen wird?«
»Genau. Die Einbrecher schneiden ein Loch in die Decke des Tresorraums, schalten die Alarmanlage aus und fräsen die Rückwand des Tresors auf. Die Szene dauert fast eine halbe Stunde. Sie ist aber nicht nur filmgeschichtlich interessant.«
»Sondern?«
»Sie war das Vorbild«, sagte Maia, »für einen echten Einbruch.«
Sie fischte ein schwarzes Notizbuch aus einem Seitenfach ihrer Reisetasche und schlug es auf.
»Hier«, sagte sie, »ich hab alles genau notiert. Am 8. November 1993 drangen Räuber durch ein in die Decke geschnittenes Loch ins Stockholmer Moderna Museet ein und erbeuteten fünf Gemälde und eine Skulptur von Picasso sowie zwei Werke von Braque. Drei der Picassos tauchten einen Monat später wieder auf, teilweise durch die Hilfe von Thomas. 1995 wurden drei Schweden verhaftet und verurteilt. Die drei waren aber nur Handlanger. Es gab eine Spur, die nach
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