Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
Hamburg führte, aber der Auftraggeber des Diebstahls wurde nie gefasst.«
»Maia, willst du mir damit sagen …«
»Moment, ich bin noch nicht fertig.« Sie blätterte eine Seite um. »Im Jahr 2000 wurde das Moderna Museet erneut Schauplatz eines Überfalls. Am 22. Dezember drangen drei maskierte Räuber kurz vor der Schließung in das Museum ein. Einer von ihnen hielt mit einem Maschinengewehr die Sicherheitskräfte in Schach, die zwei anderen liefen zu verschiedenen Ausstellungsräumen im zweiten Stock. Binnen weniger Minuten konnten die Diebe das Gebäude verlassen. Und ab hier wird es fast romantisch.«
Maia griff nach meiner Teetasse, trank einen Schluck und genoss die Pause.
»Spann mich bitte nicht so auf die Folter.«
»Die drei flüchteten mit einem Motorboot in die Nacht. Es war ein milder Dezember, und die Wasserwege waren eisfrei. Jede der vielen tausend kleinen Inseln im Archipel von Stockholm konnte ihr Ziel sein.«
»Und was hatten sie gestohlen?«
»Zwei Bilder von Pierre-Auguste Renoir, Die junge Pariserin und Conversation . Das wertvollste Stück war ein Selbstbildnis von Rembrandt aus dem Jahr 1630.«
»Rembrandt und Renoir«, sagte ich. »Das kommt uns doch bekannt vor.«
»Du sagst es. Die schwedische Polizei ging von einem Auftragsdiebstahl aus. Diese Bilder waren nicht zu verkaufen. Jeder kannte sie. Es musste jemand dahinterstecken, der sie einfach haben wollte. Zwei der drei Bilder sind bis heute verschwunden. Nur Conversation wurde am 5. April 2001 bei einer Drogenrazzia in Stockholm sichergestellt. Thomas sagt, es war Zufall.«
»Und keiner der Diebe wurde je verhaftet.«
»Doch«, sagte Maia. »Im Juli 2001 wurden dreizehn Personen vor Gericht gestellt. Zwei Männer wurden wegen Einbruchdiebstahls verurteilt, drei wegen Beihilfe, drei wegen Hehlerei. Die restlichen fünf wurden freigesprochen.«
»Nur der geheimnisvolle Drahtzieher wurde nie überführt.«
»So ist es«, sagte Maia.
»Lass mich raten: Er wird in Hamburg vermutet.«
»Ganz genau.«
Ich stand auf, ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser. Ich musste jetzt kühlen Kopf bewahren.
»Wie wahrscheinlich«, fragte ich, »ist es denn nun, dass es sich bei diesem Mann tatsächlich um Lohmeier handelt?«
»Er wurde sogar verhört«, sagte Maia, »und danach eine ganze Weile observiert. Aber es war umsonst. Man konnte ihm nichts nachweisen. Thomas ist trotzdem davon überzeugt, dass Viktor Lohmeier der neue Besitzer der Jungen Pariserin und des Selbstporträts ist.«
Ich nahm einen Schluck Wasser und bekam einen Hustenanfall. Maia schlug mit der flachen Hand auf meinen Rücken, bis der Anfall verebbte.
»Geht’s wieder?«
»Ja«, sagte ich. »Hab mir nur gerade vorgestellt, wie Isabel in einem romantisch eingerichteten Bunker neben Lohmeier auf einem Sofa sitzt, händchenhaltend und ganz versunken in Rembrandts Selbstporträt, dessen dunkle Farbtöne im flackernden Licht eines Kandelabers aufglühen …«
»Ja«, lachte Maia, »so wird es sein. Sie sitzt traumverloren vor Lohmeiers Rembrandt, bis Sir Arthur, König der Spürnasen, ihr Scotland Yard an den Hals hetzt und die Idylle jäh zerstört.«
Ich versuchte mir ein Lächeln abzuquälen, aber es gelang nicht. Maia wurde wieder ernst und lehnte sich zurück. »Ich habe Thomas natürlich auch von dem Gespräch erzählt, das du belauscht hast«, sagte sie. »Was ihm dazu einfiel, war erstaunlich.« Maia schlug die Beine übereinander und trank einen Schluck Wasser. Erst jetzt fiel mir auf, dass es sich bei ihren Flipflops nicht um Massenware handelte. Grüne Glassteinchen schimmerten auf schwarzem Leder; an den Sohlen befanden sich kleine Absätze. Maia schwieg. Ich betrachtete ihre Zehen; die Nägel waren sorgfältig pedikürt. Der Nagellack schimmerte in hellem Orange. Für einen kurzen Moment sah ich Professor Thomas Watt vor ihr knien. Die Ärmel seines Tweedsakkos hatte er bis über die Ellbogen zurückgeschoben. In der linken Hand hielt er einen von Maias Füßen, in der rechten eine Nagelfeile.
Maia schwieg noch immer.
»Deine Kunstpausen in Ehren«, sagte ich schließlich, »aber …«
»Ich wollte nur warten, bis du bereit bist«, sagte Maia. »Sagt dir der Name Heinrich Ribbeck etwas?«
»Der von der Deutschen Bank?«
»Er war nicht nur Bankier, auch Kunstsammler. Er ist vor zwei Wochen gestorben. Um seine Kollektion ranken sich zahllose Gerüchte. Nur wenige haben sie gesehen. Er hat nur ganz selten Bilder
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