BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
du
zweimal
existiert hast.«
So schnell, dass Sardon nicht ausweichen konnte, presste Gabriel erneut seine Finger gegen die Stirn des Vampirs. Wie ein sengender Blitz zuckte etwas durch sein Hirn und erhellte eine Szene, eine Erinnerung, die zwar auch schon vor diesem Moment vorhanden gewesen war, von Sardon aber noch nicht in den rechten Zusammenhang hatte gebracht werden können.
Ein Zimmer in einer Herberge. Rona und ein Diener namens Philippe umstehen mich. Ich vermag keinen Finger zu rühren. Rona drückt mir den Lilienkelch in die Hand, aber auch er kann mir nicht helfen.
Perpignan. Dies ist Perpignan, Ronas Geburtsstadt. Hier ist es über mich gekommen. Eine Lähmung... ein Fieber... völlige Ohnmacht...
[8]
Die Szene verschwamm.
»Du erinnerst dich?«, fragte Gabriel.
»Ich erinnere mich«, antwortete Sardon mit belegter Stimme.
»Damals warst du für einen Monat doppelt auf der Welt präsent: als reines Bewusstsein, das in den Körper des Vampirs Racoon versetzt wurde – und als Sardon, der in Ronas Begleitung nach Perpignan reiste, um die Ursache für den mysteriösen Diebstahl von Kindsleichen zu ergründen.«
Sardon kniff die Lippen zusammen. »Was hast du Rona damals angetan? Sie war viele Tage fort, und als sie in die Herberge zurückkehrte, erinnerte sie sich nicht mehr daran, was in dieser Zeit geschah!«
»Inzwischen weiß sie es wieder.«
Sardon zuckte leicht zusammen. »Hast
du
die Kindsleichen gestohlen? Kam Rona dahinter und –«
»Aus diesen Kindern reiften
meine
Kinder«, verzichtete Gabriel auf eine genauere Erklärung.
»1635...«, murmelte Sardon. »Die Archonten leben seit mehr als dreieinhalb Jahrhunderten und warten auf deine Rückkehr...?«
Gabriel gab einen raunzenden Ton von sich, dann sagte er: »
Leben
wäre zu viel gesagt.«
»Ist das mein Auftrag: sie zu suchen? Der Gefallen, den ich dir schulde? Das glaube ich nicht! Du könntest es selbst tun!«
»Du begreifst mein Wesen nicht und auch nicht meine Natur. Ich
kann
fast alles selbst tun. Aber manches
müssen
andere tun, um ihm Wert zu verleihen. Ich schließe Verträge, ich pfände Seelen. Seelen haben Gewicht und Wert. Allein darum geht es. Die Saat zu säen. So viele Seelen wie möglich durch Abkommen miteinander zu vernetzen...«
»Also stimmt es – dies ist meine Aufgabe?«, Noch immer konnte Sardon nicht glauben, dass Gabriel ihn zu reinen Botendiensten benutzte. Er hatte befürchtet, schreckliche Taten, die sogar seinen Horizont überstiegen, vollbringen zu müssen.
»Es ist deine Pflicht«, bestätigte ihm Gabriel. »Erfülle sie, und bei unserem Wiedersehen wirst du wieder frei in deiner Entscheidung sein – ob es dir von Vorteil sein wird, sei dahingestellt...« Gabriels Hand wies in den Kern des Kromlechs, in die Gasse zwischen den Trilithen. »Geh!«
Sardon gehorchte fast unbewusst. Ein paar Schritte...
... und er stand wieder zwischen Ruinen.
Zwischen uralten, verwitterten Steinen, die den Betrachter über die Dimension und Bedeutung hinwegtäuschten, die dieser Ort offenbar auch noch in der Gegenwart besaß.
Für die finstere Macht jenseits der Schwelle, jenseits des
Tores
...
Epilog
Tief in den Ruinen Jerusalems
Letzte Gedanken eines Mächtigen
Der Tod erst öffnet mir die Augen und alle Sinne für die Wahrheit!
Eben noch habe ich gekämpft wie um mein eigenes Leben – und nun plötzlich sehe ich die Sinnlosigkeit dieses Kampfes: Denn ein eigenes Leben nenne ich nicht mein eigen. Nicht mehr, seit jener Knabe mich aus dem eiskalten Land fortholte.
Was mich getrieben und bewegt hat seitdem, gehört nicht mir. Dieses andere Leben und jeder einzelne Gedanke sind nur geliehen; ich durfte sie nur benutzen, nicht aber besitzen.
Die Zornesgewalt, mit der ich gegen Anum vorging – sie war nur aufgesetzt, schlicht falsch.
Der Hass auf Heaven – er ist nicht der meine, nur geborgt, aber nicht wirklich empfunden. Er rührt nichts an in meinem Inneren. Nur Kälte herrscht dort, wie eine wehe Erinnerung an das Land, in dem ich
mein
Leben einst begann.
Ich bin nicht der, für den sie mich halten. Und ich bin nicht der, für den ich mich hielt.
Mein Name ist Proteus, das weiß ich nun, doch wahre Existenz findet ein Ende, kaum dass sie recht begonnen hat. Der Pflock in Heavens Hand hat mir das Herz aufspießt!
Ich breite die Arme aus, um den Tod willkommen zu heißen. Er wird mich von diesem falschen Leben befreien.
Der Schmerz, der ihn begleitet – ich ignoriere sein Feuer,
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