BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Archonten, wie sich die erwachsen gewordenen Kinder nannten, auch von Elisabeth Stifter erfahren, der Einen unter Millionen. Einer Frau, deren Schicksal einzig auf der Welt war. Denn sie stammte aus ferner Zukunft und beherrschte die Magie der Zeit, die sich Satan zunutze gemacht hatte, um drei Jahrzehnte auf der Flucht vor seinen Verfolgern zu »überspringen«.
Letztlich war auch dies vergebens gewesen, dennoch hatten die Archonten in ihr den Schlüssel gesehen, Satans Niederlage vielleicht doch noch in einen Sieg umzuwandeln. Geduldig hatten sie darauf gewartet, bis Elisabeth Stifter das italienische Kloster, das Sitz der Illuminaten war, nach dem Tod ihres Mannes verlassen hatte, um nach Uruk aufzubrechen, wo... ja, wo der Eingang zu dem Korridor war, aus dem sie 1618 herausgeschleudert worden war: eine durchscheinende, wie gläsern wirkende Frau, die anfangs jedem Menschen in ihrer Nähe des Tod eingebracht hatte.
Als sich die kalte Hand seines Bruders Loth auf seine Schulter legte, drehte sich Natan nach ihm um.
»Wir müssen ihr sofort hinterher!«, sagte Loth. »Wir kennen das Ziel ihrer Flucht!«
Natan nickte benommen.
»Ja«, stimmte er zu. »Aber hättest du je gedacht, dass sie unser Angebot ausschlagen könnte?«
Sein Blick streifte den Toten. Bereits vor Wochen war Tobias Stifter als altersschwacher Greis im Kloster Monte Cargano gestorben. Dieser Leichnam hier war lediglich die
Prämie
, welche die Archonten Elisabeth Stifter versprochen hatten, wenn sie sich bereit erklärte, die zwölf Stiefkinder des Teufels durch den freigelegten magischen Korridor von Uruk zu führen. In die Zeit
vor
dem Kampf ihres »Vaters« mit Salvat in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg.
1635 waren Satan und Salvat zum ersten Mal aufeinandergeprallt, und das Einschreiten der Illuminaten hatte verhindert, dass die Inkarnation des gefallenen Engels zu ihrer vollen Stärke hatte heranwachsen können.
Wir wollten ihn vor Heidelberg und der dortigen Übermacht warnen,
dachte Natan.
Nun scheint auch diese Chance dahin – es sei denn, wir -
»- wir holen sie noch ein, bevor sie in den Korridor flüchten und entkommen kann«, vollendete Loth die Gedanken seines Bruders in drängendem Ton. »Worauf warten wir?«
Ein letztes Mal streifte Natans Blick den Köder, den sie der trauernden Elisabeth Stifter hingeworfen hatten.
Sie hatte ihn nicht angenommen.
Sie hatte sich auf keinen noch so verführerischen Kontrakt mit den Waisen des Satans eingelassen.
Natan stieß den Toten mit seiner Schuhspitze an. Jener Tobias Stifter mochte greifbare Illusion, eine unerhörte Gaukelei sein – aber das hätte er nicht bleiben müssen.
Die Eine unter Millionen hatte es in der Hand gehabt, ihm dauerhafte Existenz einzuhauchen. Sie, die jetzt gen Uruk strebte, hätte nur auf die Forderung der Archonten eingehen müssen. Ein Pakt zwischen ihnen und ihr hätte ihre Liebe neu erschaffen.
Ihre Liebe,
echote es klamm in Natans Geist. Selbst etwas anfangen mit diesem Begriff konnte er nicht – nicht einmal in Bezug auf den höllischen Vater, den er mit seinesgleichen retten wollte.
Nichts auf dieser Welt ist stärker als ein Abkommen mit dem Urbösen und uns, seinen Vasallen. Aber es muss freiwillig erfolgen. Aus eigenem Willen und Wollen...
Hinter seinem Bruder Loth stürmte Natan aus dem Verlies, dessen Tür Elisabeth Stifters besonderen Kräften nicht standgehalten hatte.
Kamelhufe wirbelten Wolken von Staub auf, und die Tiere selbst brüllten gequält unter den Tritten, mit denen die Reiter ihre Flanken malträtierten und sie zwangen, verschärft in Richtung Uruk zu galoppieren.
Die Feste Ophit blieb hinter den Archonten zurück. So weit das Auge reichte, erstreckten sich die Sanddünen wie ein endloser, welliger Teppich vor den beiden Männern, die Elisabeth Stifters Verfolgung aufgenommen hatten.
Die Sterne am Himmelszelt funkelten in einem eisigen Licht.
Irgendwann erhellte sich der östliche Horizont, und der Morgen graute.
Das Zagros-Gebirge war hinter Elisabeth' Jägern verschwunden, und weit voraus tauchten vereinzelte Felsstrukturen auf, die aussahen, als hätte sie jemand achtlos hingestreut.
Nach vielen Stunden erreichten Natan und Loth den Ort, von dem aus die damals fruchtbare Uferregionen des Euphrat und Tigris einst regiert worden waren.
Uruk.
Das Zentrum des versunkenen Reiches Sumer...
»Dort!«, rief Natan, ohne aufzuhören, sein erschöpftes Kamel anzuspornen. »Sieh nur – da vorne!«
Selbst wenn
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