BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
verlieren. Und schon gar nicht den Glauben an den Sinn, sich gegen das Dunkle in dir zu stemmen.«
»Und du? Dir scheint alles ganz leicht zu fallen. Auch du hast dein lebendes Totem nicht mehr verfügbar. Auch du müsstest unter der Last des Bösen ersticken.«
»Ich wende Chiyodas Lehre an, seit ich davon erfahren habe.«
»Und trotzdem ist dein Gefieder noch immer schwarz wie das eines Raben!«
»Ein paar hellere Stellen wird es schon geben.«
»Aber ihr Ursprung ist ein anderer als bei mir«, erwiderte Hidden Moon in felsenfester Überzeugung, obwohl er keinerlei Beweis für diese These hätte vorlegen können.
Makootemane wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment stürmte Chiyoda den Raum.
»Was für ein unverzeihlicher Fehler!«, rief er mit rauer Greisenstimme. »Wir müssen Rona sofort zurückholen! Sie schwebt in höchster Gefahr – und vielleicht war es völlig sinnlos, dass sie sich überhaupt in die Höhle des Löwen begab...«
»Sinnlos?«, fragte Makootemane. »Was heißt das?«
»Das heißt, dass ich
noch einen
Sardon gefunden habe – in unserer Realität. Fernab von Jerusalem. Und bei bester Gesundheit!«
»Wo?«, fragten Hidden Moon und sein Oberhaupt wie aus einem Mund.
»Nicht weit von Uruk. Nicht weit vom Korridor der Zeit...«
»Wie konntest du Uruk mit Jerusalem verwechseln?«, ereiferte sich Hidden Moon, während Makootemane nur wie geistesabwesend den Blick zu Boden richtete.
»Ich habe es nicht verwechselt. Er war an beiden Orten – und an einem ist er bereits genau so gestorben, wie ich es vorausschaute.«
Ohne abzuwarten, bis diese Information ganz in seinen Verstand gesickert war, fragte Hidden Moon: »In Jerusalem?«
»Ja, aber es muss ein Doppelgänger des Kelchhüters gewesen sein. Der echte Sardon ist unversehrt. Er schart gerade sonderbare Gestalten um sich, die er anschließend nach Jerusalem führen soll...«
»In wessen Auftrag?«
»In Gabriels Auftrag – auf Satans persönlichen Befehl...«
Offenbar wollte er noch mehr dazu erläutern, aber in diesem Augenblick ging ein solcher Ruck durch seine greisen Knochen, dass die beiden Arapaho ihm schon entgegeneilten, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.
Er wehrte sie und hielt sich mühsam auf den Beinen.
Von draußen wehten Schreie durch ein offenstehendes Fenster herein. Nein, keine Schreie... Heulen!
Hidden Moons Haut schien sich wie unter einem jähen Kälteschock zusammenzuziehen. Er sah nur noch zu Chiyoda, der sichtbar um seine Fassung rang. Und nicht nur das: Der sich
verwandelte
! Aus dessen verklärt-friedfertigen Zügen hervorbrach, was Jahrzehnte darunter geschlummert und ihn in Sicherheit gewiegt hatte!
Nun aber, zu einer Stunde, einem Tag, an dem er geglaubt hatte, den Fluch nicht fürchten zu müssen, riss dieser alle Blockaden und Barrikaden nieder, die Chiyoda in sich errichtet hatte. Die Dämme brachen mit einem Geräusch, das nur Chiyoda selbst und einige seiner eifrigsten Schüler in dieser Weise zu hören bekamen. Für Hidden Moon und Makootemane, die in diesem Moment bei ihm waren, spielte sich die Katastrophe in den Köpfen der Betroffenen fast lautlos ab.
Bis er in den Gesang einstimmte: den Gesang der Wölfe. Den Chor der Männer und Frauen, die in diesen Sekunden alles von sich warfen, alles vergaßen, wofür sie sich kasteit hatten.
Und das Heulen, das von draußen kam, schwoll immer lauter an und entfachte das anfangs noch schwache, kaum erkennbare Feuer in Chiyodas Augen.
»Verschwinden wir!«, flüsterte der eine Arapaho dem anderen zu.
Aber sie kamen nicht einmal mehr bis zur Tür. Hidden Moon spürte zuerst den Glutatem des zweibeinigen Wolfs in seinem Nacken – und dann bereits die hornigen Krallen, die sich genau in den erbleichten Gefiederflaum hineinbohrten, der sich augenblicklich dunkel zu färben begann.
Schwarz wie die Marmorierung in Chiyodas entmenschten Augen...
Zwischenspiel
Stonehenge, England
Ein nackter Teufel durchkreuzte die beiden steinernen Kreise des in alter Pracht neuerstandenen Kromlechs und stolzierte auf den dritten Kreis zu, die Wand aus Menschenleibern.
Dreihundertfünfzig an der Zahl.
Dreihundertfünfzig wie zu Salzsäulen erstarrte, im Innersten verheerte, äußerlich aber unversehrt gebliebene und noch immer von warmem Blut durchströmte Menschen.
Um den Mund des nackten Teufels prägte sich ein zynischer Zug, als er an den Vertrag dachte, den er mit diesen Narren geschlossen hatte. Mit diesen... Irren. In Highgate Hall, der
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