BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
ich weidete mich an ihrem Grauen und Entsetzen wie ein Lamm auf grüner Aue. Ebenso wie an den Schreien und Wehklagen, die wie heulender Wind durch die Gassen Bethlehems fuhren.
Kein Kind, das jünger war als zwei Jahre, überlebte diesen Tag. Dies war mein Plan gewesen, um die mir erwachsende Gefahr schon im Keim zu ersticken. Und so mancher Vater, der den Tod seines Sohnes rächen wollte, büßte den Versuch gleichfalls mit dem Leben, wie auch manche Mutter im Tod Erlösung suchte von dem Schmerz, den die Soldaten des Königs ihr beigebracht hatten.
Qual und Schmerz, Angst und Schrecken, all dies gereichte mir zwar zum Wohlgefallen; Zufriedenheit aber erlangte ich nicht. Denn als auch das letzte Kind in den Dörfern um Bethlehem gefunden und getötet war, wusste ich, dass
das eine
nicht darunter gewesen war.
Ich vermochte sein Leben noch zu spüren, ganz so, wie die Mörderhorde auf ewig die kalte Hand des Entsetzens und der Sünde ums Herz spüren würde...
Zwischenspiel
Es war, als verblasse die Welt um Heaven her. Die Vergangenheit entließ sie zurück in die Gegenwart, und die Wände des Felsendoms tauchten ringsum wie aus Nebeln auf. Atemlose Stille umfing die Halbvampirin.
»Wozu all dieser Aufwand?«, fragte sie schließlich, als das Schweigen so tief wurde, dass sie kaum mehr Luft zu bekommen fürchtete. »Ich meine, warum hast du all diese Menschen für deine Zwecke eingespannt, anstatt es selbst zu tun?«
»Du verstehst noch immer nichts.« Gabriel lachte. »Mir liegt nicht daran, selbst Übles zu vollbringen«, erklärte er dann. »Die Menschen sollen in meinem Sinne handeln und sich verderben. Nur das ist der Grund, aus dem ich unter sie komme. Sie sollen Träger des Bösen sein und es weitergeben an ihren Nächsten und vererben von einer Generation zur anderen. So war es zu jeder Zeit, und so sollte es sein, bis –«
»– bis?«, fragte Heaven, als der Teuflische innehielt.
»Bis zum Jüngsten Tage – vielleicht.« Gabriel lächelte geheimnisvoll und grausam in einem.
»Was geschah mit Herodes?«, wechselte Heaven das Thema. Was Gabriel erzählt hatte, interessierte sie mehr, als sie es sich selbst gegenüber eingestanden hätte. »Du hattest ihm ewiges Leben versprochen –«
»Oh, hatte ich das?«, tat der Inkarnierte erstaunt. »Nun, Herodes schien mich ebenso missverstanden zu haben...«
»Hattest du ihm nicht versprochen, dass sein Reich nie in die Hände eines anderen Königs fallen würde? Bedeutet das nicht –«
»Ich hielt mein Wort«, unterbrach Gabriel. »Kein anderer König regierte Palästina nach Herodes dem Großen – denn sein Reich wurde auf Geheiß des Kaisers Augustus, dessen Berater freilich ich war, unter den Söhnen des Herodes aufgeteilt, die nicht mehr Könige, sondern nur noch Fürsten waren.«
»Und Herodes ließ sich das gefallen?«
Gabriel verzog die Lippen zu einem mokanten Lächeln. »Nun, er protestierte und meinte mich zur Rechenschaft ziehen zu können. Woraufhin ich ihn mit mir nahm...«
»Du bist also zurückgekehrt in deine Gefilde«, meinte Heaven, »womit dein Wirken in jener Zeit vorüber war. Der Rest dieser Geschichte ist ja hinlänglich bekannt.«
»Glaubst du!«
»Etwa nicht?«
»Vergiss nicht, dass ich in Dreigestalt in jene Zeit kam, wie in jede andere, der perfekte Gegenpol zur Dreifaltigkeit. Und kein Teil meiner Dreigestalt unterschied sich vom anderen. Ich war in jedem davon ich; die Spaltung des geborenen Körpers betraf weder Geist noch Macht.«
»Das heißt also, dass du damals noch immer zweifach auf Erden warst?«, Heaven ahnte, dass ungeheuerliche Wahrheiten noch unter dem Deckmantel vermeintlich korrekter Geschichtsschreibung lauerten, und dass der wahre Kern vieler Legenden dieser Welt noch unbekannt war.
»So ist es«, nickte Gabriel. »Und meine Jagd auf den Christenkönig hatte gerade erst begonnen...«
Nach Christi Geburt
Jahre gingen ins Land, in denen im Volke zwar hie und da von einem verheißenen Heiland die Rede war, allein er selbst trat nicht in Erscheinung, und niemand wusste, ob er bloßes Wort oder schon wirklich war.
Niemand – außer mir!
Ich konnte ihn noch immer spüren, ihn riechen und schmecken, als vergifte sein nackter Fuß das Land für meine Sinne, wo immer er ihn hinsetzte.
Dann aber mehrten sich die Zeichen seines Hierseins. Die Stimmen, die von ihm sprachen, wurden lauter, und ihre Worte zogen weitere Kreise. Von einem Mann redeten sie, der, wohin er auch kam, Gottes Wort
Weitere Kostenlose Bücher