BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
verkündete, auf eindringlichere Weise als jeder Prediger vor ihm, und der bleibenden Eindruck hinterließ, so dass niemand ihn je wieder vergaß, der ihn einmal gesehen hatte, und ebenso blieben seine Reden in steter Erinnerung.
Bald schon entwickelten die Geschichten um ihn rechtes Eigenleben. Wer sie auch erzählte, schien sich befleißigt zu fühlen, sie länger und anschaulicher darzustellen. Wahre Wunderdinge wurden berichtet von diesem Mann, den sie Jesus von Nazareth oder auch schlicht »den Nazarener« hießen.
Ich gestehe, dass mit der Zeit nicht nur Hass meine Triebfeder war, die mich ihn verfolgen ließ. Etwas anderes kam noch hinzu – Neugierde auf diesen Mann! Der Wunsch, zu erfahren, was er für ein Mensch war, welche Natur sich hinter dem Gesicht jenes Messias verbarg.
Denn vielleicht, so meinte ich, waren wir einander gar ähnlich...
Die Fährte eines solchen Mannes aufzunehmen, von dem bald jeder Schritt bekannt war, sollte mir ein Leichtes sein – dachte ich! Aber wie nahe ich ihm auch kam, stets geriet ich von seiner Spur ab, ehe ich ihn wirklich erreichte. Als würde ich fehlgeleitet durch falsche Eingaben.
So kam ich nicht umhin, einen neuen Plan zu ersinnen. Und das tat ich.
Wenn ich nicht zum Menschensohn kommen konnte, so sollte er eben zu mir kommen. Ich musste ihm nur einen Grund dafür geben. Ihn neugierig machen auf einen Fremden, der gleichfalls durch die Provinzen des einstigen Palästinas wanderte und das Volk in seinen Bann zog, indem er es glauben machte, er selbst sei jener Messias...
... und mir bereitete es keine Mühen, wirkliche Wunder vor aller Augen zu wirken!
Denn ich war eben nicht nur eines Menschen Sohn. Meine Macht lag jenseits menschlicher Vorstellungskraft und war das, was auf Erden Magie und Zauberkraft hieß.
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt,
damit er von dem Teufel versucht würde.
Matthäus, Kap 4, Vers 1
Die Bewohner des Dorfes am Ufer des Jordans behandelten mich wie einen König. Sie bewirteten mich mit feinsten Speisen und ließen es mir auch sonst an nichts mangeln, denn der Fleischeslust etwa war ich durchaus nicht abgeneigt. Und so brachten die schönsten Töchter des Dorfes ihre Nächte in meinem Hause zu, das ihre Alten mir in Demut und Ehrfurcht überlassen hatten, nachdem ich ihnen gezeigt hatte, was zu tun ich imstande war: Aus knochenhartem Boden waren die prächtigsten Blumen gewachsen, und die fettesten Fische sprangen den Männern geradezu in die Netze, als könnten sie es kaum erwarten, gebraten zu werden.
Dass ich ihre Augen und ihren Geist nur täuschte, das ahnten diese Menschen freilich nicht. Sie sahen und glaubten, was ich sie sehen und glauben ließ.
Neben all dem wuchs Zwietracht im Dorf; ich war nun eben der Sämann des Bösen, und auch wenn ich in dieser Zeit in anderer Mission zugange war, so konnte ich meine Natur doch nicht ablegen. So kam es also, dass der eine dem Nachbarn neidete, was er selbst nicht sein eigen nennen konnte, und ich ermutigte jeden, doch zu nehmen, was er wollte, und die Bestohlenen trieb ich an, ihr Hab und Gut zurückzufordern um jeden Preis, und sei es der des anderen Lebens.
Gut gediehen auch Gerüchte und Lügen in diesem Dorf, und es gefiel mir, eine Weile lang zu beobachten, was bloße Worte und Respekt anzurichten vermochten. Kurzum, fast fand ich Gefallen daran, nur Mensch und König zu sein.
Doch war dies nicht Sinn und Zweck meines Hierseins, und ich überlegte schon, ob ich nicht weiterziehen sollte, um meinen Ruf zu mehren –
– bis
er
doch ins Dorf kam. Endlich!
Ich war nicht Augenzeuge seiner Ankunft, aber ich
empfing
sie – es war, als ginge ein Aufatmen durch das Dorf; ein lautloses Seufzen der Erleichterung, unhörbar, aber zu spüren wie eine kühle Brise an drückend heißem Tage.
Und selbst ich schauderte, wenn auch nur für einen winzigen, aber nichtsdestotrotz fürchterlichen Moment...
»Was ist mit Euch, Herr? Habe ich etwas Falsches getan?«
Die Frage kam zitternd über die vollen Lippen des Mädchens, während Angst sich in ihren großen Augen zeigte. Ich löste ihre Finger von mir.
»Geh!«, herrschte ich sie an. »Verschwinde, sofort .«
»Herr, ich –« Ihre Stimme war furchtvolles Flehen.
»Lass mich in Ruhe!«
Ihre Beine schienen kaum noch die Kraft zu haben, sie zu tragen, so langsam kam sie endlich meinem Wunsche nach. Noch fast nackt verschwand sie schließlich.
Ich verließ das Haus nach ihr und hielt Ausschau nach
ihm
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