BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
genug!«
Ich erhob mich, als ich in der Ferne Schritte in großer Zahl vernahm. Sie wurden lauter.
Sie kamen, um
ihn
zu holen...
Ich ging zurück zum Haus. Über die Schulter rief ich Judas Iskariot noch etwas zu. »Du weißt, wo du uns finden wirst. Vergiss es nicht.«
Ich ahnte sein Kopfschütteln nur. Deutlich hörte ich das Klimpern der Silbermünzen. Es würde in seinen Ohren klingen bis zu seinem bitteren Ende...
Ich trat so stürmisch in das Haus des Josef von Arimathia, dass alle Blicke sich auf mich richteten. In die weichen Züge des Bartholomäus zwang ich nackte Furcht, meine Augen waren die eines gehetzten Tieres.
»Was ist mit dir?«, Der Nazarener erhob sich, und die anderen taten es ihm nach. Ihre Stühle fielen polternd hintenüber, und der Kelch, aus dem wir zuvor, der Passatradition folgend, gemeinsam getrunken hatten, rollte vom Tisch.
»Sie kommen«, schnaufte ich, Anstrengung und Angst vorgaukelnd.
»Wer?«, schallte es mir entgegen.
»Die Soldaten!«, rief ich. »Sie wollen dich gefangen nehmen, Herr! Rasch, lass uns fliehen!«
Der Nazarener sah mich ruhig an. Dann schüttelte er den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Sollen sie mich mitnehmen. Ich bin mir keiner Schuld bewusst.«
»Unsinn!«, beharrte ich. »Sie werden nicht nach deiner Schuld fragen, und sie werden es nicht dabei belassen, dich einzusperren. Die Stadt schreit nach deinem Blut, Herr, und sie werden nicht eher ruhen, bis es zu ihren Füßen fließt!«, Ich trat zu ihm und packte ihn am Arm. In den Augen der anderen las ich Zustimmung. »Nun komm!«, trieb ich ihn an.
Noch immer zögerte er. Bis Josef von Arimathia zu uns kam und sich vor den Nazarener stellte. Tief sah er ihm in die Augen, und der Ernst in seinem Gesicht hatte etwas Feierliches.
»Geh«, sagte er eindringlich. »Geh mit dem Jungen. Ich werde die Häscher hier aufhalten, solange ich kann.«
»Ich will kein Blutvergießen unter Unschuldigen«, erwiderte der Menschensohn.
Unser Gastgeber schwieg, aber sein Blick war beredt genug, um den Nazarener endlich zu bewegen. Ohne ein Wort folgte er mir. Mit einem Wink bedeutete er Simon Petrus und dessen Bruder Andreas, mit uns zu gehen. Die anderen sollten hierbleiben, um Josef von Arimathia gegen die Soldaten beizustehen.
»Wohin führst du uns?«, fragte der Nazarener, nachdem wir das Haus durch eine Hintertür verlassen hatten und in der Nacht standen.
»An einen Ort, wo sie uns nur schwer finden werden«, sagte ich. »Im Garten Gethsemane gibt es Verstecke zuhauf.«
...
die Stunde ist gekommen.
Siehe, der Menschensohn wird überantwortet
in die Hände der Sünder.
Markus, Kap 14, Vers 41
Die Ölkelterei war vor langem aufgegeben worden und dem Zahn der Zeit anheimgefallen. Die Bauten waren teils bereits eingestürzt, das umliegende Gelände von Unkraut und hohem Gras überwuchert.
Bei Tage war dies ein friedlicher und idyllischer Ort im Herzen von Jerusalem, und der Nazarener war manches Mal hier hergekommen, wenn er Erholung vom anstrengenden Predigen gesucht hatte. Bei Nacht jedoch war Gethsemane einsam und gespenstisch.
»Hier wird uns niemand suchen«, log ich und drängte meine Begleiter in die Schatten einer Ruine.
Lange Zeit schwiegen wir. Jeder hing stumm seinen Gedanken nach, wenn auch den Nazarener und die Brüder andere bewegten als mich.
Nach einer Weile schliefen Petrus und Andreas ein, und auch ich stellte mich schlafend. Der Menschensohn entfernte sich ein Stück von uns, und ich hörte sein Klagen in der Nacht. Als er zurückkam und sich wieder zu uns gesellte, kam er mir auf unbestimmbare Art verändert vor – gestärkt, nicht mehr von Furcht erfüllt...
»Wo warst du?«, fragte ich, ein Gähnen vortäuschend. »Was hast du getan?«
»Ich bin mit mir ins Reine gekommen«, sagte er nur, nahm wieder Platz und schaute schweigend in die Finsternis. Dabei spielte ein Lächeln um seine Lippen, als sehe er etwas, das nur seinen Augen bestimmt war.
Daran änderte sich auch nichts, als Stimmen erklangen und lauter wurden. Schwere Schritte kamen näher, Waffen klirrten, Speerschäfte schlugen aneinander.
Petrus und Andreas sprangen auf, und ich tat es ihnen gleich, als die Soldaten vor uns traten. Schwarz wirkten sie im Gegenlicht des Mondes, gesichtslose Schatten.
Nur die Züge eines Mannes erkannten wir. Er trat noch einen Schritt vor. Sein ausgestreckter Arm wies auf den Nazarener, der sich zwar ebenfalls erhoben hatte, allerdings deutlich langsamer als
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