BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Von dort oben betrachtet musste die Stadt, deren Wurzeln bis in die Zeit von König David zurückreichten, noch um ein Vielfaches magischer, atemberaubender wirken.
»Lass ihn uns heute noch ersteigen!«, Emerson zog seine frisch angetraute Frau spontan enger an sich und blickte tief in ihre Augen, in denen sich das Gold des Kuppeldaches zu spiegeln schien, unter dem der Felsendom behütet lag.
»Heute noch?«, Leann wiegte skeptisch den Kopf. Wer sie so gut kannte wie Emerson wusste, dass dies noch kein Nein bedeutete. »Es wird bald dunkel. Wie wäre es, wenn ich
dich
ersteige und wir uns den beschwerlichen Gipfel für morgen früh aufheben...?«
»Wenn das ein eindeutiges Angebot sein soll, zeige ich mich vielleicht kompromissbereit...«
»Kompromissbereit? Wie kannst du es wagen, bei einem solchen Angebot überhaupt zu zögern?«, Leann fuchtelte in gespielter Empörung mit der Faust vor seinem Dreitagebart herum.
»Du kennst mich«, verteidigte sich Emerson beherzt. »Ich will immer alles – und das möglichst gleichzeitig.«
»Ja, du bist ein großer Junge...«
»Das, was du gerade spürst, wird groß. – So groß, dass mir gar keine Wahl bleibt, als...«
»Als?«, Sie küsste das Grübchen auf seinem Kinn.
»... an meiner Forderung nach einem Kompromiss festzuhalten.«
»Schurke!«
»Halb so schlimm. Erst widmen wir uns dem, was uns beiden Spaß macht – und danach sehen wir uns Jerusalem unter dem Sternenhimmel an! Einverstanden?«
Leann nickte, als hielte sie noch einen Trumpf in der Hinterhand, um dem zweiten Teil seines Vorschlags zu entgehen. »Unter einer Bedingung.«
»Welche?«
»Den Skopus nehmen wir nur dann in unser heutiges Programm auf, wenn du – nachdem ich mit dir fertig bin – überhaupt noch in der Lage bist, ihn zu erklimmen!«
Emersons fuhr die Linien ihres sinnlich-anrüchigen Mundes mit der Fingerspitze nach – bis sie sich diesen Finger mit den Zähnen schnappte. Und Emerson, ohne loszulassen, daran vom Balkon weg ins klimatisierte Zimmer
des American Colony
zog.
»Ich liebe dich«, seufzte er, während sie ihn von seiner Kleidung befreite, sich selbst aber zunächst nur den aufregenden String-Tanga abstreifte, der ihren Schoß und die rasierte Scham bedeckt gehalten hatte.
Obwohl das knielange Sommerkleid sofort wieder über ihre Schenkel fiel, blitzte es in Emersons Augen verlangend auf. Erwartungsfroh fiel er rücklings aufs Bett und zog Leann mit sich. Sie versanken in der viel zu weichen Matratze, aber das störte nicht. Die Leidenschaft ging mit ihnen durch und schenkte ihnen unvergessliche Wonnen.
Weder Leann noch Emerson ahnten, dass dies das letzte Mal überhaupt war, dass sie sich gegenseitige Befriedigung schenken durften. Dass einer von ihnen die kommende Nacht nicht überleben sollte.
Und der andere...
... sich am Ende wünschen würde, nie gelebt zu
haben
...
Zur gleichen Zeit
... ZZZUUUWWW!
»Wo sind wir?«
»Im Himmel!«
Heaven spürte, wie ihr Gabriels Sarkasmus eine Gänsehaut erzeugte, die sogar den Symbionten, der sich an sie schmiegte, als wäre er ein natürlich gewachsener Teil ihres Körpers, mit einzubeziehen schien.
Fröstelnd stellte sie fest, dass sie keinen Boden mehr unter ihren Füßen spürte. Denn unter ihr und Gabriel gähnte ein Abgrund. Schimmerte Jerusalem im letzten Licht des sterbenden Tages!
Sie waren tatsächlich im Himmel – wenngleich nicht in
dem
, auf den der Teufel in Menschengestalt gerade angespielt hatte.
»Du siehst«, verspottete sie der junge Mann mit dem sich selbst karikierenden Yuppie-Outfit, »es bedarf nicht unbedingt läppischer Flügel, um der Schwerkraft ein Schnippchen zu tragen. Einem wie mir genügt der Gedanke:
Mein Wille geschehe!
– und schon...«
Letztlich war auch dies eine Verhöhnung des einen Gottes, der seinen Willen in Heaven verankert, der ihr aufgetragen hatte, die letzten Vampire, die von der Purpurseuche verschont geblieben waren, zu jagen und zu vernichten.
Heaven
stand
in einer geschätzten Höhe von zweihundert Metern über der Jerusalemer Altstadt und sah, wie die Dämmerung über die Stadt zu kriechen begann. Widerwillig löste sie ihren Blick von der Tiefe. Aber statt sich Gabriel zuzuwenden, hob sie ihre linke Hand und öffnete sie.
Über Monate hinweg hatte sie sich den Kopf über die Bedeutung des Fledermaus-Tattoos zerbrochen und sich gefragt, ob es überhaupt eine Bedeutung über den schmückenden Effekt hinaus hatte.
Nun wusste sie es... wieder.
DAS
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