BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
junge Bursche hinter dem Tresen fort und begann gleichzeitig damit, den Rechnungsvordruck auszufüllen, »aber damit verbringe ich die Nächte hier, wissen Sie? Ich lerne das Gästebuch auswendig. Ich weiß genau, wer in welchem Zimmer übernachtet. Ich könnte Ihnen die Gäste der vergangenen drei Wochen aufzählen, wenn Sie möchten!«
»Wovor der Allmächtige mich bewahren möge«, grunzte Pray. Dabei versuchte er sich mit den Fingern die Spuren dieser fürchterlichen Nacht aus dem Gesicht zu massieren.
»Oh, Mister Pray, es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen... aber Sie sehen verdammt nicht so aus, als hätten Sie gut geschlafen. Lag es am Zimmer? Am Bett? Sagen Sie es ruhig. Es ist mein Job, alles abzustellen, was den Gästen in
Kate's Motel
nicht zusagen könnte.«
Dann stell dich endlich selbst ab, du Schwätzer
, dachte Moses Pray, ohne es jedoch auszusprechen. Statt dessen sagte er: »Ja... nein... ich weiß es nicht.«
»Schlecht geträumt?«, hakte der junge Portier nach. Die Rechnung schien er in seiner Sorge um Prays Wohlbefinden völlig vergessen zu haben. Inzwischen kaute er nachdenklich an seinem Stift, während er sein Gegenüber mit fast schon wissenschaftlichem Interesse musterte.
»Möglicherweise, ja«, seufzte Moses Pray und zeigte auf das Quittungsformular. »Wenn Sie vielleicht so nett wären...«
»Oh! Ja, natürlich. Entschuldigen Sie, Mister Pray«, sagte der Junge erschrocken und schrieb weiter. Jedoch nur, um gleich wieder innezuhalten.
»Darf ich fragen, in welcher Profession Sie unterwegs sind, Mister Pray?«
»Ich verkaufe Bibeln«, erwiderte er. »Kansas Bible Company. Bibeln für Ihre Lieben.«
Er zog eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts und legte sie auf den Tresen.
Der Junge nahm das Kärtchen und las es aufmerksam.
»Bibeln...«, murmelte er. »Das ist... großartig.«
»Haben Sie denn keine?«, fragte Pray.
»Was?«
»Eine Bibel.«
»Äh... ich weiß nicht...«
»Gottes gedrucktes Wort sollte in keinem Haushalt fehlen«, meinte Moses Pray, und wie hingezaubert hielt er plötzlich ein Bestellformular mit zwei angehefteten Durchschlägen in der Hand.
»Sie sollten eine haben«, fuhr er dann fort, während er auch schon den Stift über das Papier wirbeln ließ. »Wie war gleich Ihr Name..?«
»Äh, Mickey... also Michael... aber...«
»Ah ja, Michael G. Wolf«, las Pray den vollständigen Namen von einem Schildchen auf dem Tresen ab. »Ihr Name wird in goldenen Lettern auf die erste Seite Ihrer ganz persönlichen Bibel gedruckt. Und dazu einen Vers? Kostet kaum extra. Ich such' Ihnen einen hübschen aus, ja?«
»Kaum extra...?«
»Fast nichts«, meinte Pray beruhigend. »Sie müssen nur noch hier unterschrieben.«
Es fehlte nicht viel, und er hätte dem völlig verdatterten Jungen die Hand zur Unterschrift geführt.
»Wenn wir schon dabei sind, Mister Wolf... Oder darf ich Sie Mickey nennen? Gut, Mickey, also: Eine Bibel ist auch ein sehr hübsches Geschenk und von immer bleibendem Wert. Wie heißt Ihre Frau Mutter?«
»Meine Mutter? Äh... oh, verzeihen Sie, Mister Pray, Sie warten auf Ihre Rechnung.«
Plötzlich hatte Mickey es sehr eilig, den Vordruck auszufüllen. Dieser Moses Pray brachte es noch fertig, ihm Bibeln für die Hälfte der Bevölkerung Nebraskas anzudrehen!
Hastig legte er die Rechnung und Prays Kreditkarte in das kleine Tischgerät, und mit der gleichen Eile geleitete er den Gast dann zur Tür.
Pray saß noch nicht in seinem Ford Kombi, dessen Ladefläche mit Kisten voller Bibeln beladen war, als er aus dem Motel einen Schrei hörte.
»Siebzig Dollar?
Siebzig
Dollar?!«
Pray stieg ein und grinste.
»Junge, goldene Lettern haben nun mal ihren Preis.«
Dann fuhr er los und lenkte den Ford hinaus auf den Provincial Highway 2 in Richtung Westen.
Das kleine Geschäft mit Mickey hatte ihn für ein paar Minuten vergessen lassen, dass er sich eigentlich hundeelend fühlte. Und das nicht erst seit heute Morgen, sondern schon seit Tagen.
Und es schien ihm weniger ein physisches als vielmehr ein psychisches Problem zu sein. So, als würde nachts jemand seine Sorgen auf Moses Pray übertragen, der sich dann anderntags damit herumplagen musste.
Er kurbelte das Seitenfenster herunter, in der Hoffnung, dass der Fahrtwind ihn ein bisschen erfrischen würde. Aber was da schwer und dunkel auf seiner Seele lastete und von dem Pray nicht einmal wusste, was es war, das konnte der Wind nicht davontragen.
Meile um Meile fraß
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