BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Erlebten befallen hatte. Sie fand Nahrung in längst Vergangenem und fast schon vergessenen Erinnerungen.
Erinnerungen an Erlebnisse, die diesem hier auf seltsame Weise ähnelten.
Moses Pray entsann sich, dass er solche Momente, in denen ihm war, als hätte er all das schon einmal mitgemacht und durchlebt, kannte. Manchmal hatte es sich dabei um Banales gehandelt, einige Male aber auch um schlimme Dinge.
Damals zum Beispiel, als die Polizei bei ihm geklingelt hatte... da hatte er die Tür aufgemacht und schon vorher gewusst, was ihm die Cops sagen würden. Dass Eve, seine Eve, einem grauenhaften Verbrechen zum Opfer gefallen war...
Es war mehr als nur eine Ahnung gewesen; er hatte die Szene, die ganze furchtbare, alptraumhafte Szene schon gekannt, weil er sie genau so schon –
geträumt
hatte?
Vielleicht...
Gab es denn eine andere Erklärung?
Moses Pray fiel zumindest keine ein. Und ebenso wenig konnte er sich eine ganze Reihe zwar nicht annähernd so schrecklicher, aber doch sehr ähnlicher Erlebnisse erklären.
Erlebnisse wie jenes, in dem er gerade mittendrin steckte...
Pray nahm etwas Gas weg und ließ den Wagen fast im Schritttempo an den ersten Häusern vorüberrollen. Und ohne dass er sich wirklich in Deadhorse umgesehen hatte, drängte sich ihm ein Gedanke auf, und fast gleichzeitig kam er ihm über die Lippen.
»Eine Geisterstadt...«
Als wäre der Klang seiner eigenen Stimme der Auslöser, spürte Moses Pray, wie sich ihm die Haut im Nacken zusammenzog und dann am ganzen Körper spannte, als wäre sie ihm um mindestens zwei Nummern zu klein geworden.
Der tatsächliche Grund dafür mochte allerdings sein, was sein Unterbewusstsein längst registriert hatte und was ihm erst jetzt wirklich auffiel.
Da war zum einen die Tatsache, dass, soweit er sehen konnte, keine Menschenseele zu entdecken war. Das konnte man als Zufälligkeit abtun, wenn man die Augen vor allen anderen Auffälligkeiten verschloss. Vor der beispielsweise, dass auch kein Fahrzeug zu sehen war. Oder der, dass sämtliche Fenster ringsum aussahen wie mit Staub regelrecht beklebt.
Die Häuser, sie erinnerten in Bauart und Anordnung an eine alte Westernstadt und machten auf Pray allesamt einen unbewohnten Eindruck, ohne dass er zu sagen wusste, woher dieser Eindruck rührte. Kleinigkeiten mochten ihn erwecken – hier eine zersprungene Fensterscheibe, dort eine krumm in den Angeln hängende Tür...
Aber auch der gewitterdunkle Himmel trug sein Scherflein zu der unheimlichen Atmosphäre bei. Gierig schien er alles Licht aufzusaugen, um düsteren Schatten Raum zu schaffen, die Deadhorse einnahmen wie eine körperlose Armee. Sie bezogen Posten hinter Ecken und unter Vordächern und starrten zu Moses Pray herüber – aus Augen, die sie nicht haben konnten, deren Blicke er aber aller Vernunft zum Trotz wie die Berührung eisiger Finger auf seiner Haut spürte.
Auf halber Strecke zum Ortsende stoppte Pray den Ford Kombi mitten auf der Main Street...
Wieder war da dieses erinnerungsähnliche Empfinden, doch inzwischen erschreckte es Moses Pray nicht mehr. Er stellte nur fest, dass sich diese Erfahrung von all den früheren ein bisschen unterschied. Darin nämlich, dass er nicht wusste, was als nächstes geschehen würde. Die Pseudo-Erinnerung reichte in diesem Fall nur immer bis zu genau dem Punkt, an dem er gerade anlangte.
Er verließ den Wagen, und nach Sekunden, in denen er nur dastand, merkte er, dass die 'Geschichte' plötzlich in eine andere Richtung lief. Er wusste nicht, woher dieser Eindruck rührte. Er war einfach da.
Und er wusste auch nicht, weshalb er sich gerade jetzt gedankenverloren den Hals rieb, als versuchte er, gegen den Juckreiz eines Moskitobisses anzugehen...
Ziellos entfernte sich Moses Pray ein paar Schritte von seinem Fahrzeug. Das Wissen darum, was beim 'letzten Mal' an dieser Stelle des Ereignisses geschehen war, befand sich zweifelsfrei in seinem Gedächtnis. Aber er konnte es nicht nutzen. Weil es verschlossen war, wie in einer Kassette, deren Schlüssel er verloren hatte..
Was war hier, an diesem Punkt, passiert?
Und vielmehr beschäftigte ihn die Frage:
Wollte
er überhaupt, dass es sich wiederholte?
»Nein.«
Die Antwort auf seine unausgesprochene Frage rutschte ihm förmlich heraus. Möglicherweise hatte sein Unterbewusstsein sie ihm über die Lippen gedrängt, als wollte es ihn... warnen?
Warnen wovor?
Noch länger hierzubleiben?
Sich gründlicher umzusehen?
Nun, wenn es sich um eine
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