BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
der sein Stamm Zuflucht gefunden hatte.
Heaven hielt auf den markanten Punkt zu, der die höchsten Bäume noch um einiges überragte. Die Wände des Massivs waren jedoch steil und glatt, und so ging Heaven davon aus, dass die Höhle – falls sie hier zu finden war – in Bodennähe lag.
Sie ging tiefer, flog dicht über den Baumwipfeln weiter und...
... entdeckte etwas, was ihre Schwingen für eine endlos lange Sekunde lähmte.
Erst als sie wie ein Stein vom Himmel zu fallen drohte, gewann sie die Kontrolle über ihren Fledermauskörper zurück.
Allmächtiger!
dachte sie.
Sie hatte Maarns Stamm gefunden.
Gerade rechtzeitig, um seiner völligen Ausrottung beizuwohnen...!
Wie konnte das geschehen?
pochte es in Heavens Verstand.
Diese Narren!
Warum haben sie den Schutz der Höhle verlassen, und auch noch alle auf einmal?!
Die Waldlandschaft verlief sich zum Fuß des Bergkegels hin, ging in eine Grassteppe über, die dem Stamm eigentlich zusätzliche Sicherheit hätte schenken müssen. Denn ein Feind, wie auch immer dieser aussehen mochte, war – zumindest bei Tag – schon von weitem auszumachen. Eine aufmerksame Wache am Eingang der Höhle hätte genügt, um auf jede Bedrohung rechtzeitig und angemessen zu reagieren. Notfalls mit Flucht...
Heaven öffnete das Maul zu einem lautlosen Schrei.
Vielleicht,
korrigierte sie ihren ersten Eindruck,
haben sie ja genau das versucht. Und es ist ihnen zum Verhängnis geworden.
Dort unten, auf freiem Feld, drängten sich nicht nur die Angehörigen von Maarns Stamm, sondern auch ein an Zahl hoch überlegenes Rudel wilder Tiere. Bestien, die das kleine Völkchen bereits so gekonnt umzingelt hatten, dass an ein Entkommen nicht mehr zu denken war!
Ob Maarn zu den Eingeschlossenen zählte, war für Heaven in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht zu bestimmen. Zu grob, zu sehr auf Umrisse und schattenhafte Flächen beschränkt war ihr Sehvermögen. Die einzige Möglichkeit, dies zu ändern und Details der räuberischen Tiere auszumachen, bestand darin, zurück in ihr wahres Aussehen zu schlüpfen.
Hin und her gerissen zwischen Vernunft und Gefühl, landete sie wenig später in Sichtweite des Geschehens...
... und prallte zurück, denn erst in diesem Moment begriff sie, wie chancenlos die kleine Gruppe Menschen gegen einen Gegner wie
diesen
war!
Riesige Raubkatzen in gestreiftem Fell, deren kleinste Bewegung ein Ausbund an Kraft und Geschmeidigkeit war. Und Hunger verriet!
Im Aussehen und der wild geschmeidigen Gangart erinnerten sie an Tiger, waren dabei aber fast doppelt so lang. Ihr Gebiss musste
noch
tödlicher als die Reißzähne eines Tigers sein, denn selbst bei geschlossenem Maul ragten die oberen Eckzähne unterarmlang und leicht gebogen heraus...
Wie bei einem Vampir,
durchzuckte es Heaven unbehaglich.
Solche Großkatzen waren in der Gegenwart längst ausgestorben gewesen. Lediglich eine etwas harmlosere Variante hatte überdauert. Einen vagen Eindruck, wie relativ solche "Harmlosigkeit" war, hatte Heaven bei einem Aufenthalt in Indien gewonnen. Dort kam es vor, dass ein einzelner Tiger, wenn Hunger ihn quälte, selbst größere Dörfer überfiel. Es brauchte den Mut der ganzen Bevölkerung und forderte oft Dutzende Menschenleben, ehe ein solcher Räuber mit Gewehren erlegt werden konnte.
Und hier war es ein ganzes Rudel von tigerähnlichen Vierbeinern, das einem kleinen Haufen Menschen gegenüberstand, und die Waffen der Eingeborenen beschränkten sich auf Faustkeile und Kurzspeere!
Die Bestien schienen Heaven noch nicht bemerkt zu haben. Der Wind blies ihr aus der Richtung entgegen, in der sich das Grauen anbahnte. Sie selbst blieb außerhalb der Witterung der Tiere.
Mit den Eingeborenen verhielt es sich anders.
Ein älterer Mann streckte unvermittelt den Arm in Heavens Richtung und rief augenrollend irgendetwas Unverständliches. Sofort blickten fast alle hin zu der Frau, die sich frappierend von den Menschen dieser Epoche unterschied. Sekundenlang überwog das Erstaunen der Betrachter sogar ihre kreatürliche Angst vor dem unabwendbar gewordenen Schicksal.
Die Raubkatzen zogen derweil ungerührt ihre Bahnen enger um das Grüppchen. Drohend demonstrierten sie Stärke gegenüber ihrer sicheren Beute.
Heaven versuchte die Blicke und Rufe der Eingeschlossenen zu ignorieren, doch als sie in ein Paar verheulter Kinderaugen schaute, dachte sie:
Himmel, warum haben deine Eltern nicht besser auf dich achtgegeben? Sieh mich nicht an, als könnte ich
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