BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
klein und unscheinbar, dass es im Schatten des Mausoleums von Marie Laveau fast unsichtbar war. Nicht jedoch, wenn man genau hinsah und danach suchte, und schon gar nicht für den Arapaho, dessen nachtsichtige Augen die Finsternis kaum kannten.
Der Zugang befand sich in dem Winkel, den Grab- und Friedhofsmauer bildeten, und er lag verborgen hinter dichtem Buschwerk und Gestrüpp.
Das wenige Licht, das durch die schmale Maueröffnung sickerte, reichte Wyando, um sehen zu können. Rote Schatten formten sich zum Bild der kahlen Grabkammer, in deren Mitte die verrotteten Reste eines Sarges lagen, und darin wiederum ein fast zur Gänze skelettierter Leichnam. In der gegenüberliegenden Ecke gähnte ein Loch im Boden, das in den Augen des Vampirs wie bis zum Rand mit Blut gefüllt aussah.
Der Arapaho tauchte hinein.
Stufen führten hinab, in schwindlig machenden Kehren und unterschiedlich breit, so dass das Hinablaufen zu unsicherem Taumeln wurde.
Immer tiefer führte die Treppe in die Welt unter der Stadt der Toten. In eine Welt, die mit irrsinnig machendem Lärm zum Bersten angefüllt war, in der der Geruch des Todes die Atemluft ersetzte und in der wogendes Entsetzen das Regiment führte und alles andere neben sich erstickte.
Trotzdem spürte Wyando noch immer das Gedankenmuster derer, wegen der er nach New Orleans gekommen war, in dem sinnbetäubenden Chaos. Er spürte es so lange, bis er den Zugang zu dem gewaltigen unterirdischen Gewölbe erreichte.
Kerzenschein erhellte den riesigen Raum. Halbnackte, rituell bemalte Menschen tanzten zu arrhythmischer Musik und grauenhaften Gesängen, die von Schrecken dirigiert wurden.
All das nahm der Arapaho wie am Rande war, und er brauchte dafür nur den Bruchteil einer Sekunde.
Gebannt starrte er zur Mitte des Gewölbes hin, wo ein Altar zwei Personen voneinander trennte, die sich über den Stein hinweg an den Händen berührten und –
Personen?
Nein!
Wyando sah Heaven unverändert, doch plötzlich war ihm, als würde eine unsichtbare Kraft den anderen demaskieren, der sich bisher hinter negroiden Zügen verschanzt hatte.
Es gab keinen Namen, nicht einmal ein Wort für das, was dort jenseits des Altars nicht einfach nur stand, sondern
wucherte
, wogte und sich auf unmögliche Weise bewegte, ohne von der Stelle zu weichen.
Wyando fühlte sich von der fremden Präsenz angestarrt, höhnisch verlacht, obwohl es nichts daran gab, das zum Starren, zum Lachen oder sonst einer Regung geeignet gewesen wäre.
Dann verschwand Heaven.
Nicht ihr Körper, sondern nur das, was den Arapaho auf ihre Spur geführt hatte – ihr Sein, ihr Wesen.
In dem Moment, da sie eins wurde mit dem Fremden.
Ein Laut klang auf, der jenseits des Hörbaren lag und doch mächtig genug war, das Gewölbe erbeben zu lassen, so dass sich Sprünge wie verästelnde Blitze über Decke und Wände zogen.
Wyando erstarrte...
... und sank zu Boden.
Dass es Dinge gab, die ungleich schlimmer waren als der Tod, wusste Heaven.
Dass jedoch auch ewige Verdammnis noch steigerungsfähig war, war ihr neu. Bis jetzt zumindest. Und dabei hatte sie die unschöne Vorahnung, dass ES noch weit davon entfernt war,
wirklich
ernst zu machen.
Heaven war nie prüde gewesen, und es hatte nur wenig gegeben, dem sie sich im Zusammensein mit Mann oder Frau verweigert hatte, ohne es wenigstens zu probieren.
Was das Fremde aber mit ihr tat, war mehr als eine Summierung aller Abartigkeit der Welt. Denn es waren Dinge darunter, die kein Mensch und nicht der kränkeste Geist ersinnen konnte.
Heaven lernte all diese Dinge kennen.
Alle zugleich!
Sie schrie in dem Fremden, in dem sie mehr als nur aufgegangen war, und ihre Schreie wurden beantwortet – von all jenen, die vor ihr eins geworden waren mit dem IHM. Ihrer unermesslichen Zahl zufolge musste ES schon vor Urzeiten damit begonnen haben.
Und es würde nie aufhören.
Heaven wusste, dass sie nur ein winziges Glied in einer Kette ohne Anfang und Ende war, die wachsen würde bis zum Jüngsten Gericht, und auch dann würde es nicht vorbei sein.
Und dieses Wissen war noch schlimmer als das, was ihr physisch (?) angetan wurde – und immer angetan werden würde.
Ewigkeit... Der Begriff erlangte für Heaven eine neue, nicht fassbare, aber zutiefst erschreckende Bedeutung...
Was ihr hier zuteilwurde, war nichts anderes als die Strafe, die der Schöpfer ihr angedroht hatte, sollte sie in ihrem Auftrag versagen. Aber sie war noch weit davon entfernt, das gestellte Ziel
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