Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle
an ihren Platz zurückhuschen konnte.
»Ja, Sir«, sagte sie und funkelte mich an. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich auf der Stelle tot umgefallen. Warum hasst sie mich so?
Mr Stone hat uns wahrscheinlich noch als beste Freundinnen abgespeichert. Aber das ist ein Irrtum. Ich hasse Shonna und sie mich. Eine einfache Gleichung. Ich weiß nur bis heute nicht, wie wir von der einen einfachen Gleichung zur anderen gekommen sind.
Shonna + Sadie = beste Freundinnen
(Shonna)x + Sadie = schlimmste Feindinnen
Und Imelda wäre dann = x.
Jedenfalls ging ich mit Shonna aus dem Zimmer und dann den Flur entlang. Vorsichtig schielte ich zu ihr hoch. Ihre blöde Hochsteckfrisur sah noch viel rattiger aus als sonst. Gut.
»Was ist? Was hab ich gemacht?«, sagte sie, als sie meinen Blick auffing – als sei sie ein nettes Mädchen, als sei sie wieder meine beste Freundin.
»Du hast mich verletzt«, sagte ich und wie auf ein Stichwort tropfte mir das Blut aus dem Mund. Ich starrte sie an und wünschte mir im Stillen, sie würde sich zu mir umdrehen, so wie früher, wenn wir gestritten hatten, und sagen: »Na und? Du lebst doch noch«, und dann losprusten, bis ich mitlachen würde. Wir würden kreischen vor Lachen und uns gar nicht mehr einkriegen, wie alle besten Freundinnen auf der Welt.
Aber Shonna starrte mich nur an und sagte: »Das war ich nicht – du bist gestolpert. Aber wenn du unbedingt einen Sündenbock brauchst, bitte, du gestörte Kuh.«
Dann lieferte sie mich bei der Schulschwester ab und stürzte davon. Wahrscheinlich, um eine hinter den Mülltonnen zu rauchen, ehe sie zu Mathe zurückging. Seit Shonna mit Imelda herumhängt, stinkt sie immer nach Zigaretten.
Ich ging ins Schwesternzimmer, setzte mich auf den Plastikstuhl und fühlte mich hundeelend, fast so schlimm, wie es hier drin aussah. Die Schwester konnte nicht viel für mich tun. Ich hatte nur eine dicke Lippe und einen abgesplitterten Zahn. Ein kalter Umschlag und ein Termin beim Zahnarzt, und das war’s dann.
Bis zur Mittagspause schwoll meine dicke Lippe bereits ab. Ich wagte mich an mein Schließfach, um meine Pausenbrote zu holen. Dann ging ich zum Probenraum, wo Billy immer mit seiner Band herumhängt. Billy, seine Band … und Tony Cruz.
Dass sich Tony Cruz, der süßeste Junge an der Schule, überhaupt mit Billys Band eingelassen hat, liegt einzig und allein an Billys Frisur, die ich höchstpersönlich auf Vordermann gebracht habe. Okay, ich glaube, die beiden kannten sich schon länger (über die Post-Rock-Szene und ihre Gitarrenleidenschaft, also bevor meine Schere Wunder wirkte), aber der coole Haarschnitt besiegelte den Deal. Wenn es für Haarstyling ein Bewertungssystem gäbe, so wie für World of Warcraft, dann hätte ich mindestens Level 6 erreicht. Ich habe mir jede Menge Gedanken gemacht und genau ausgetüftelt, worauf es beim Haarstyling ankommt. Nicht nur bei meinem Cousin Billy, sondern bei jedem künftigen Kunden, der auf der Suche nach einem anständigen Schnitt ist.
Bevor ich meine Theorien über den Beruf des Haarstylisten zum Besten gebe, hier noch ein paar Worte zum Friseursalon meiner Tante. Tante Lilahs Taufname ist »Delilah«, und so heißt auch ihr Salon. »Delilahs« – also ehrlich! Ohne einen Funken Selbstironie. Delilah ist übrigens eine Frau in der Bibel, die ihrem Mann im Schlaf die Haare abschnitt und ihn auf diese Weise seiner Manneskraft beraubte. Ich meine, geht’s noch?
Und der Name ist nicht das Einzige, was am »Delilahs« falsch ist. Kein Wunder, dass der Laden nicht brummt! Was nicht heißt, dass Tante Lilah nicht gut schneiden kann. Das ist nicht der Punkt. Sie hat eine lange Liste von Stammkundinnen, die regelmäßig zur Dauerwelle oder zum Entkrausen kommen, aber trotz ihrer fünfundzwanzigjährigen Berufserfahrung hat sie keine Ahnung, worauf es wirklich ankommt, sonst wäre sie längst zum nächsten Level aufgestiegen.
Die Sache ist doch die: Wenn man die Leute nach dem beliebtesten Haarschnitt der letzten zehn Jahre fragt, sagen sie wahrscheinlich »Bob« oder »Pixie-Cut«. Das sind auch die bekanntesten, aber komischerweise weiß niemand, dass lange Haare bei Frauen immer noch die beliebteste Frisur sind. Mehr berufstätige Frauen = mehr Kurzhaarschnitte, sollte man meinen, aber das ist Unsinn. Kurze Haare müssen viel mehr gestylt werden, damit sie gut aussehen. Eine Frau, die mit kurzen Haaren feminin wirken will, muss sich morgens jede Menge Make-up ins Gesicht klatschen.
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