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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Kink
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ins Bad, um mir die Farbe aus dem Gesicht zu waschen, und dabei fällt es mir ein. Die nächsten zwei Minuten starre ich einigermaßen fassungslos in den Spiegel. Zurück blickt einigermaßen gelangweilt eine Frau Anfang dreißig (Ruhe auf den billigen Plätzen!) und fragt sich, warum mir das jetzt erst klar wird. Die weiß das offenbar schon länger, vielleicht sieht sie deshalb immer so müde aus. Es ist nämlich so: Früher begann ich ungefähr um diese Zeit, mir die Farbe ins Gesicht zu malen. Viel Farbe. Als ich die Samstagnacht noch ernst bzw. mitnahm, sprach man noch von Discos und nicht von Clubs. Chill-out-Areas gab es damals auch nicht, als ich jung war, kam niemand auch nur annähernd auf den Gedanken zu chillen. Im Gegenteil. Außerdem hätten wir gar nicht gewusst, wie das geht.
    Samstage waren immer etwas Besonderes. Ich war offenbar zu sehr mit dem Erschlaffen meiner Oberarmmuskulatur beschäftigt, als das aufgehört hat, sonst hätte ich ja was gemerkt. Als Kind durfte oder musste man samstags in die Badewanne, dann kam Wetten, dass? oder Bonanza oder wann man halt geboren wurde, also ob Generation X oder Generation Golf. Weil Bonanza irgendwann langweilte, wurde man zügig sechzehn, damit man endlich mal rausdurfte. In meinem Fall mussten Discos noch ein bisschen warten, ich bin in einem oberbayrischen Dorf aufgewachsen, da gab es keine Discos. Bei uns gab es Partys. Im Pfarrsaal. Wenn schon die Mama nicht mitdurfte, dann musste wenigstens der liebe Gott die Hand drüberhalten. Bei uns saß der liebe Gott samstags anscheinend immer vor dem Fernseher, mich jedenfalls hat nie der Blitz getroffen.
    Die Vorbereitungen für die Party konnten schon mal einen Nachmittag dauern. Die Hälfte davon verbrachten wir auf dem Boden liegend, um die Jeans zuzubekommen, die extra frisch gewaschen wurde, damit sie auch ja schön eng sitzt. Zeitgleich musste das passende Weggehoberteil gefunden werden, während die hart erkämpfte Dauerwelle mit Hilfe von ca. zehn Rundbürsten nach außen geföhnt wurde. Dies alles mit dem Telefon am Ohr und hysterischen »Glaubst du, er kommt auch, wenn er nicht kommt, muss ich sterben«-Gesprächen. Solche Telefonate führen wir manchmal immer noch, das muss aber bitte unter uns bleiben. Müsste ich mich heute flach aufs Parkett legen, um den Reißverschluss einer Jeans hochzubekommen, ich würde das Haus nicht mehr verlassen.
    Damals aber hörten wir schlicht auf zu atmen und tranken Cola mit Rum oder Bacardi mit Kirschsaft, weil das Alkohol war. Wir mussten uns so was noch selbst zusammenpanschen, es gab leider noch keine Mischmasch-Fläschchen. Andererseits vertragen wir deshalb heute auch mehr. Ansonsten wurde geknutscht, wenn er da war, und gerockt, wenn er nicht da war. Katholische Pfarrsäle zwingen einen ja praktisch auf die Knie – wir gehorchten headbangend zu »Black Betty« oder »Smoke on the Water«. Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie das funktionieren konnte. Ohne zu kotzen, meine ich. Mit der Plörre im Magen und in den engen Jeans?
    So vertrieb man sich die Zeit bis zum Führerschein, der einen endlich in die ersehnte Disco drei Dörfer weiter brachte. Die Vorbereitungen dafür zogen sich allerdings immer noch den ganzen Samstag hin, obwohl die Kleiderauswahl einfacher wurde. Schwarz kombiniert sich relativ einfach mit schwarz. Dafür wurden die Frisuren aufwendiger. Schulterlange Haare mal eben in die andere Richtung zu kleben erfordert viel Zeit. Und Geduld. Und Haarspray. Sollte jemand ein auffälliges Muttermal an sich entdecken: Es ist wahrscheinlich meine Schuld, zwei, drei kleine Löcher in der Ozonschicht gehen sicherlich auf mein Konto. Schnell noch das »Ich bin gerade einer Gruft entstiegen« – Make-up, und schon musste man sich beeilen, um wenigstens vor Mitternacht anzukommen. Den Rest der Nacht verbrachte man auf der Tanzfläche, angestrengt gelangweilt, zwei Schritte vor, zwei zurück, den Oberkörper leicht gebeugt, als suche man besoffen nach einer verlorenen Kontaktlinse. Die rechte Hand lag schützend vor circa zwei Kilo Silberschmuck, der um den Hals baumelte. Dies alles, während Ann Clarke aus den Boxen jammerte, dass sie sich jetzt dann vielleicht doch bald umbringt. Tanzen nannten wir das. Im Morgennebel musste der oder die am wenigsten Vergiftete hinters Steuer und die Anderen über die Dörfer nach Hause fahren. Ein Wunder, dass wir nicht alle als kleine Holzkreuzerl die oberbayrischen Landstraßen säumen.
    Irgendwann verlief sich

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