Bad Hair Years
nicht kann. Und ich kann heute ganz bestimmt nicht ins Büro, jetzt lohnt es sich sowieso nicht mehr, ist ja schon halb zwei Uhr nachmittags. Dabei hab ich gestern gar nicht so viel getrunken. Ich darf auf keinen Fall vergessen, mein Fahrrad nachher bei Sabrina abzuholen. Gott sei Dank war ich wenigstens so schlau, es da stehen zu lassen und ein Taxi zu nehmen. Dabei hab ich gar nicht so viel getrunken. Toll. Offensichtlich werde ich doch noch langsam vernünftig und erwachsen. Spitze. Wo war ich? Kaffee, Aspirin, Wasser, genau.
Gott sei Dank regnet’s, Regen, sehr gut, wie bestellt! Ich habe hier eine Box, auf der steht Complete Series 3, und so kann ich erst mal in der Horizontalen bleiben. Nur zwei Stündchen oder so, danach geh ich ins Fitness-Studio. Oder halt, nein, geht ja gar nicht. Wenn mich da jemand sieht – mit Magen-Darm-Grippe. Egal, ab hier Anrufbeantworter, I say: fuck the job, fuck the gym, I say play all episodes, I say Ausrufezeichen!
Fünf Minuten später sitze ich kerzengerade da, drücke wie verrückt rewind und muss mich fragen, warum der Präsident der Vereinigten Staaten jetzt schon ermordet wurde, dabei fällt mir die Fernbedienung runter und der Multivitamindrink um. Der ist natürlich nicht tot, das sieht nur so aus, aber das erfahre ich erst später. Hollywood funktioniert auch noch 1A, warum sonst denke ich der Präsident der Vereinigten Staaten anstatt der Typ da, den hab ich doch in Season 2 schon mal gesehen, den kenn ich doch, wieso fällt der denn tot um!
Beim ganzen DVD-Spaß habe ich ein wichtiges Detail vergessen: Ich kann keine Krimis, ich kann keine Thriller, auch nicht als Buch. Wenn irgendwo ein Gehirn an der Wand klebt, dann darf man mich nicht fragen, wer dafür verantwortlich ist und schon gar nicht warum. Mir fehlt das Gangster-Gen, ich verstehe nur ganz selten, was da vor sich geht. Schlimmer noch, es ist mir meistens egal, solange der Hauptdarsteller tagtraumtauglich ist. Intrigen, Feinheiten, wo hat der die Knarre her, der hing doch gerade noch mit Handschellen an dem rostigen Rohr, kapier ich alles nicht. Im Wald da sind die Räuber, daran halte ich mich, und deshalb haben mich die Bösen auch noch nicht erwischt. Wenn nicht irgendein dahergelaufener Liebhaber wegen dem vielen Geld der Mörder war, dann weiß ich es auch nicht. Ich habe erhebliche Schwierigkeiten, die good guys von den bad guys zu unterscheiden, zu meinem Leidwesen passiert mir das ab und zu auch im richtigen Leben. Früher, als ich die Dinge noch verstehen wollte, habe ich im Kino manchmal nachgefragt: Warum erschießt der den, ich dachte, das ist sein bester Kumpel, magst du meine M&Ms, mir ist schlecht?, so flüsterte ich nach rechts oder links, aber ich bin einmal zu oft geshsst worden, also hab ich damit aufgehört. Ich bin die, die nach dem Kino, wenn der Film durchgehechelt wird, gar nichts mehr sagt. Das ist übrigens einer der seltenen Momente, wo ich mal meine Klappe halte, falls jemand einmal auch nur einen Satz zu Ende sagen möchte, ohne dass ich unterbreche.
Schlimm wird es, wenn jemand liebevoll versucht, mir die Ränkespiele zu erklären. Nach spätestens zehn Minuten antworte ich mit »Ach! So!«, manchmal schlage ich mir dabei mit der flachen Hand gegen die Stirn, ich Dummchen, das ist aber alles nur Show. Es ist das gleiche »Ach so!«, das ich damals in der Mathe-Nachhilfe benutzt habe, es bedeutet rein gar nichts, schon gar nicht »Jetzt versteh ich!«, es dient lediglich dazu, mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Man stelle mich nicht auf die Gegenprobe wie damals Franz, mein Nachhilfelehrer, ich trau heute noch keinem Franz über den Weg. Da ist mir meine Mama lieber, mit der schau ich am liebsten, die Mama ist ein Topchecker in Sachen Mord. »Schmarrn, dann wär ja der Film aus« – so kommentiert sie jedes Peng und alles Unvorhergesehene. Das liegt mir schon eher, ich finde, das macht mehr Sinn als »der gehört zu diesem Drogenkartell in Mexiko, aber er tut nur so, eigentlich ist er von der CIA, und das ist auch kein Messer in seiner Hand, das ist ein Supertransmitter, mit dem er die Kollegen vom FBI, außerdem hat er ein Verhältnis mit der Pathologin und deshalb …«. Aufhören, ihr habt mich schon bei Drogenkartell verloren. Immer freue ich mich auf das Glas Wein danach, wenn der Film durchgehechelt wird, aber jedes Mal gerate ich ob der Cleverness meines Freundeskreises ins Staunen. Dann weiß ich auch wieder, warum ich lieb zu denen bin. Ich möchte da nicht
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