Bad Hair Years
mir geschah.
Lasst mich festhalten:
1. Ich wohne fünf Fahrradminuten von Sabrina entfernt. Ich muss nur über die Isar, dann zweimal links-rechts, dann fünfter Stock.
2. Ich kann das nachts sogar ohne Licht am Rad.
3. Ich kann das in diesem Teil der Stadt sogar mit gebrochenem Bein, im Regen, ohne Sehhilfe und sturzbetrunken, und zwar auch in fünf Minuten.
4. Gut, mit gebrochenem Bein würde mich der fünfte Stock etwas Zeit kosten.
5. Ich bin nicht betrunken, also bestimmt nicht sturz, sonst wär ich ja hingefallen.
Trotzdem bin ich plötzlich in Augsburg oder aber auf gar keinen Fall mehr in München. Und wo ist eigentlich Natascha abgeblieben? Ich sehe den Mond, weiß aber nicht mehr, auf welcher Seite die Isar schlängelt. Und über die müsste ich ja erst mal noch drüber. Oder? Rechts der Isar, links der Isar, jegliche Orientierung ist mir abhandengekommen, diese Reihenhäuser hier sind wirklich wahnsinnig hässlich. Einmal im Leben versuche ich, logisch zu denken, fahre die Straße also zurück, von wo ich kam oder halt, von wo ich denke, dass ich kam, weil das meine Definition von logisch ist. Noch mehr Augsburg. Als mir die Idee kommt, den Plan an einer Bushaltestelle zu studieren, bin ich sehr stolz auf mich. So lange, bis keine der Endstationen Marienplatz heißt oder eine der Straßen mir wenigstens ein »ach, da lang« bedeutet. Mit einer Das-gibt-es-doch-gar-nicht-Endlosschleife auf den Lippen irrlichtere ich weiter herum, das heißt, ich würde gerne lichtern, aber das Radlicht ist kaputt. Es wäre alles nicht weiter schlimm, die Nacht ist warm, und ich bin ja kein Mann. Ich würde sofort bereitwillig das Fenster runterkurbeln und nach dem Weg fragen. Aber hier ist ja keine Sau mehr auf der Straße, dabei ist es noch gar nicht so spät. Augsburg halt.
Mehr noch als die Tatsache, dass ich mich offensichtlich total verradelt habe, beschäftigt mich die Frage, wie zur Hölle mir das passieren konnte. Ich kann nicht oft genug betonen, dass ich in einem mir sehr vertrauten Teil der Stadt unterwegs war. Vor zwei Sekunden . Jetzt befinde ich mich bestimmt fünfundvierzig Minuten weiter draußen, denn hier war ich noch nie. Wie konnte es mich so schnell so weit raustragen? Raum-Zeit-Loch? Außerirdische? Hoffentlich ist Natascha nichts passiert. Vielleicht hat mich ein Lichtstrahl in ein Ufo gezogen, so was soll vorkommen, ich kann mich aber an nichts erinnern. Was natürlich Teil des Plans sein könnte, sollen ja auf zack sein, die Außerirdischen.
Die Isar lässt sich weiterhin nicht finden, ich irre weiter und drehe noch einmal in die Richtung, in der ich die Innenstadt vermute. Die Münchner, nicht die Augsburger. Um mich abzulenken, denke ich weiter über meine Alien-Theorie nach und versuche mich an die Namen der Simpsons Aliens zu erinnern. Ich bin bei Zorg?, als ich fast in ein ZOO-Schild radle. Das ist ein gutes Zeichen, und dann auch wieder nicht. Ich wohne ungefähr beim Zoo, nur halt viel weiter im Zentrum. Gut. München ist voller ZOO-Schilder, und alle zeigen irgendwo anders hin, vermutlich wurden die nächtens mal von Außerirdischen aufgestellt. Schlecht. Ich folge dem Pfeil, was bleibt mir anderes übrig, und überquere zufällig irgendwann eine Brücke, unter der ich die Isar vermute. Zu meiner Rechten leuchtet entfernt das Heizkraftwerk und weist mir den Weg.
Eine halbe Stunde später schiebe ich das Rad in den Hinterhof. Es ist halb vier Uhr morgens. Und um acht Uhr muss ich wieder im Büro sein.
»Warst du das?«
»Wäh?«
»Ob du das warst!«
»Gib mir mal das Wasser.«
»…«
»Bitte. Bitte reich mir doch gütigst mal die Flasche Wasser.«
»Wo warst du gestern Nacht?«
»Im Stüberl. Hab ich doch gesagt. Das ganze Viertel war da, du hast echt was verpass t, stell dir vor,
der Maxi und die …«
»Und wo war sie?«
»Woher soll ich das wissen. Jedenfalls der Maxi …«
»Und wann bist du heimgekommen?«
»Und dann hat die Dings, die, na, die vom Eck vorne, musst dir vorstellen, …«
»Wo SIE war!?«
»Na, hier halt. Mit dir. Du warst doch zu Hause.«
»Dann schau sie dir jetzt mal an! Das ist alles deine Schuld!«
»Ich hab …«
»Du stinkst. Wasch dich erst mal.«
Ich bleib heut im Bett. Location, Location, Location!
Ja, danke. Nein, ist bestimmt nur so ein 24-Stunden-Virus. Ja. Soll ja jetzt umgehen, gell. Magen-Darm, ja, ganz schlimm. Nein, nein, morgen bin ich bestimmt wieder da. Ja, mach ich. Danke. Tschüss.«
Tja, man tut was man kann, wenn man
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