Bad Monkeys
sich hinzusehen. Sie sitzt zusammengekrümmt auf ihrem Stuhl, die Augen starr auf die gefesselten Hände in ihrem Schoß gerichtet.
»Jane«, drängt der Arzt sanft.
»Das ist ein freies Land«, sagt sie endlich. »Sie können reden, worüber Sie wollen.«
»In Ordnung … Fangen wir mit dem an, was nicht passiert ist. Ihr Bruder wurde nicht im Rahmen einer Slapstick-Schrebergarten-Razzia festgenommen. Und entgegen dem, was Sie während unserer letzten Sitzung anzudeuten schienen –«
»Ich habe nichts angedeutet.«
»– hatte er auch keinen Unfall. Ihre Mutter glaubte, Sie hätten ihm etwas angetan – das hat sie jedenfalls der Notrufzentrale gegenüber angegeben, als sie ihn vermisst melden wollte, und das war auch der Grund, warum sie Sie auf der Polizeiwache tätlich angegriffen hat. Aber auch das stimmte nicht. Augenzeugen zufolge verließ er die Gartenkolonie in Begleitung eines Mannes, dessen Beschreibung auf die eines kurz zuvor auf Bewährung entlassenen Straftäters zutraf – des wegen Kindesmissbrauchs verurteilten und des Kindesmordes verdächtigten John Doyle.
Ein Kinderschänder«, sagt der Arzt. »Aber ich bezweifle, dass die Polizei diesen Ausdruck vor einem vierzehnjährigen Mädchen verwendet haben würde, erst recht nicht vor einem, das vor Schuldgefühlen nicht mehr ein noch aus weiß. In dem Fall dürften die Beamten einfach von einem bösen Mann gesprochen haben … oder meinetwegen einem schlechten Affen«.«
Sie starrt weiterhin nach unten, aber ihre Lippen kräuseln sich zu einem bitteren Lächeln. »Theorie Nummer 257«, sagt sie. »Janes erster psychotischer Schub beginnt mit einem Euphemismus.«
»Dann sagen Sie mir selbst, Jane: Ist es bloß ein Zufall, dass alle Ihre Missionen im Auftrag der Organisation auf irgendeine Weise mit der Gefährdung von Kindern oder jungen Männern zu tun haben?«
Sie gibt keine Antwort.
»Und noch etwas, was ich interessant fand …« Er legt eine Hand auf den Aktenhefter. »Der Bericht erstattende Beamte: Buster Keaton Friendly. Er hieß tatsächlich so … Aber was Ihren Namen anbelangt, haben Sie gelogen, stimmt’s? Oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt. Charlotte ist Ihr zweiter Vorname. Ihr vollständiger Name lautet Jane Charlotte –«
»Nicht«, sagt sie und sieht endlich auf und blickt ihm in die Augen. »Bitte nicht. Das ist nicht mein Name. Sie hat es klipp und klar gesagt.«
»Sie?«
»Meine Mutter. Das Letzte, was sie mir gesagt hat, bevor sie mich aus dem Haus gejagt hat: Ich dürfte diesen Namen nie wieder verwenden. Was lächerlich war, weil es auch nicht ihr Name war, es war der meines gottverdammten Vaters, und den hasste sie fast genauso sehr wie mich … Aber das spielte keine Rolle, sagte sie. Was zählte, war, dass Phil so hieß, also durfte ich nicht so heißen. Sie sagte, sie würde mich umbringen, wenn sie mich je dabei erwischte, dass ich diesen Namen verwendete: ›Ich wringe dir das Leben aus der Gurgel‹, Zitat Ende. Insofern, nein, ich hab nicht gelogen.«
»Okay. Aber die Geschichte, die Sie mir ganz zu Anfang erzählt haben, von Ihrem Bruder und dem Marihuanabeet . Sie geben jetzt zu, dass sie nicht stimmte.«
Seufzend: »Ja, ich geb’s zu.«
»Und alle späteren Begegnungen mit Ihrem Bruder – seine Besuche in Siesta Corta und Ihre Beziehung zu ihm, nachdem Sie wieder nach San Francisco gezogen waren –«
»Das ist alles wahr.«
»Jane …«
»Ich meine, okay, er war nicht wirklich da, aber unsere Gespräche, die Ratschläge, die er mir immer gegeben hat … Hören Sie, ich kannte Phil. Ich hab den kleinen Scheißer vielleicht nicht gemocht, aber ich kannte ihn, er war mein Bruder, und ich weiß, was für ein Mensch er als Erwachsener geworden wäre, wenn … Diese Gespräche, von denen ich Ihnen erzählt habe, die waren also echt. Die waren wahrheitsgetreu.«
»Aber besucht hat er sie in Wirklichkeit nicht.«
»Gut, okay, nein.«
»Weil er tot ist.«
»Nein!« Sie bäumt sich förmlich auf. »Das ist nicht wahr.«
»Jane …«
»Nicht mal die Polizei konnte das je mit Sicherheit sagen. Man hat nie eine Leiche gefunden. Man hat nie irgendwas gefunden, und Doyle –«
»Jane, der Mann wurde des Mordes an zwei anderen Kindern verdächtigt. Völlig verständlich, dass Sie glauben möchten, Ihr Bruder hätte überlebt, aber –«
»Nein! Ich meine, doch, ja, ich wollte das glauben, und jahrelang war dieser Glaube auch alles, was ich hatte, aber jetzt, jetzt weiß ich es. Phil ist am
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