Bad Moon Rising
Wurde ganz still und stumm. Starrte Murdoch an. Ja, ich habe das unter Kontrolle. Nein, ich reagiere nicht auf Knopfdruck.
Er hob leicht das Kinn, eine Geste, die seine Position als Aufseher bestärken sollte.
Mit pantomimischer Übertreibung reckte ich ihm den Mittelfinger hin.
Caleb lachte, auch wenn es so klang, als würde ihn die Anstrengung endgültig umbringen. Tunner lachte – jedenfalls fing er an, wurde aber von Murdoch unterbrochen, der ein Messer zückte (es musste hinter dem Pistolenholster gesteckt haben), vorsprang und es in Walkers Schulter bohrte.
Selbst nach Werwolfmaßstäben war das eine schnelle Bewegung gewesen, ein Stich, rein, raus. Murdoch sagte kein Wort. (Nur im Kino unterlaufen die Leute die Extremsituation, in der sie stecken, indem sie quatschen.) Er stand einfach nur da, stemmte die Hände in die Hüften und wartete mit seinem Adlerblick irrer Konzentration darauf, welche Wirkung seine Tat zeitigte.
Und, ach, welche Wirkung, der Duft frischen Blutes, der mir in die Nase fuhr wie im Cartoon. Meine Nüstern blähten sich, und der Duft des kostbaren roten Körpersaftes stieg mir in die Nase. Unwiderstehliche Detonationen in Bauch und Hirn, ein schmutziges Aufgehen in animalische Freude. Alles schnurrte auf eine zweiköpfige Tatsache zusammen: Ich hatte Hunger, und ich konnte fressen. Walker war wieder in die Knie gegangen. In geriatrischen Schritten ging er auf die Seite, legte den Kopf auf den Boden und schloss die Augen. ›Tu es. Ich bin am Ende.‹
Ich hätte es wohl auch getan – wenn nicht ein äußerst lauter elektronischer Alarm angeschlagen hätte.
Tunner hielt sich die abstehenden Ohren zu. Für mich war der Lärm bei meinem guten Gehör fast unerträglich.
»Feueralarm, Sir«, brüllte Tunner und verzog das Gesicht.
Murdoch schloss kurz leicht verärgert die Augen. Er schlug sie wieder auf, holte tief Luft und bedeutete Tunner mit einem Nicken, nachzuschauen.
Tunner zog seine Karte durch das Lesegerät. Die Tür zwitscherte, holte Luft, entriegelte – dann glitt sie auf, und herein drangen Schreie und der feierliche Geruch eines Schlachtfests.
46
Die Zeit tat, was sie in solchen Augenblicken immer tut, sie dehnte sich aus, wurde langsamer, schuf einen Raum, in dem man jede Einzelheit wahrnahm – Tunner blickte auf, Murdoch drehte sich um und tastete nach seiner Waffe, Walker hob den Kopf, als würde er aus einem Nickerchen aufschrecken, das er gar nicht hatte machen wollen, Devaz’ Arm – behaart, massiv, blutbeschmiert und nach seinem neuen Werwolf stinkend – streckte sich in den Raum und wickelte seine Finger um Tunners Kehle –
NEIN. SCHLÜSSEL. SCHLÜSSEL .
Murdoch feuerte und traf Devaz an der Schulter. Devaz, mit bluttriefender Schnauze, schwang Tunner am Hals herum, so dass die folgenden beiden Schüsse von Murdoch im Rücken des Jägers landeten.
ALLES OKAY, KEIN SILBER. SCHLÜSSEL.
Der baumelte noch immer um Tunners Hals. Murdoch machte kehrt, rannte zur gegenüberliegenden Tresortür und zog seine Karte durch. Das unschuldig piepsende Lied, das Seufzen und Klacken der Schlösser. Devaz’ neuer Jagdinstinkt wehrte sich gegen mich, wollte hinter ihm her.
NEIN! SCHEISS DRAUF! HOL UNS HIER RAUS!
Ich hatte bei Devaz auch noch mit ein paar anderen Instinkten zu kämpfen. Sein Penis ragte auf, ein Tropfen perlte an der Harnröhre, die Ader pochte. Natürlich: Frisches Fleisch, dazu noch eine Hündin. Mit der er schon in menschlicher Form gevögelt hatte. Zum Imperativ der Spezies also auch noch eine Flut an gemeinsamem Wissen. Mir blieb das nicht verborgen. Die Kinoheldin würde ganz klar fokussiert sein: Ihr Kind, also sofortige Flucht, also keine Zeit für Werwolfs Rumgemache. Die Wirklichkeit war nicht so einfach. Meine Klitoris pochte, meine Vagina gierte danach. Nicht gerade Vögeln Töten Fressen (ich war ja nicht in Devaz verliebt), aber immerhin eine billigere, schmierigere Variante, genug, um an meinem Willen zu zerren. Ich hätte beinahe nachgegeben.
Allerdings hatte ich offenbar nicht ganz die Kontrolle verloren.
JETZT NICHT. DIE TÖTEN UNS. DIE HABEN SILBER.
Devaz’ untergehender Mensch hasste mich für das, was ich ihm angetan hatte (was seiner Geilheit offenkundig keinen Abbruch tat), doch das neugeborene Ungeheuer unterwarf sich meinem Willen – gerade so. Das würde nicht lange halten. Pseudoelterliche Autorität mit der Lebensspanne eines Schmetterlings. Zwei, drei Mondumläufe, dann würde er mir sagen, ich solle mich
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